Mein Gottesbeweis auf dem Jakobsweg

eine damals 7-Jährige Tochter Anastasia erklärte mir mit kritischem Gesichtsausdruck und leicht skeptischer Miene: „Papa, Gott gibt es doch gar nicht“.

Ich war überrascht und irritiert zugleich, schließlich sind wir katholisch, die Familie seit mehreren Jahrzehnten Mesner:

„Anastasia, wie kommst Du denn da drauf?“

„Man kann ihn ned sehen, ned hören und in der Schule sagen manche Kinder das auch.“

Ich war ein wenig hilflos und überfordert und stellte mir nun selbst ernsthaft, die Frage, wie ich meinem braven Mädi, das noch an den Nikolaus glaubt – denn der kommt ja regelmäßig leibhaftig ins Haus- glaubhaft und für Kinder plausibel die Existenz Gottes beweisen konnte.

Die Heilsgeschichten aus der Bibel oder auch diverse Geschichten von Heiligen auch aus unserer Kirche, die sie als Mesnerkind natürlich kennt sowie die theoretisch und hochgeistig-theologischen Herleitungen von Immanuel Kant, Thomas von Aquin oder Anselm von Canterbury erschienen mir für ein Kind viel zu abstrakt und theoretisch.

Ich überlegte und fand Hilfe in einer Begebenheit, die ich auf dem Jakobsweg in Spanien selbst erlebt hatte und so begann ich zu erzählen:

„Anastasia, du weißt doch, dass der Papa immer auf den Jakobsweg geht, oder?“  Einmal jährlich war ich über Jahre hinweg rund eine Woche pro Jahr von meinem Heimatort Unterschwillach bis nach Santiago unterwegs.

„Eines Tages pilgerte ich den ganzen Vormittag ganz allein durch die staubigen und einsamen Montes de Leon“. Die Montes de Leon sind ein karger trockener Mittelgebirgshöhenzug hinter der ehemaligen Königsstadt Leon in Kastilien-Leon in Spanien, daher der Name.

„Ich ging alleine so dahin, als ich plötzlich über einen Wurzelstock stolperte, komplett der ganzen Körperlänge nach hinfiel und samt dem schweren Rucksack auf meinen Brustkorb vorne aufprallte. Ich war sogar kurz etwas benommen, richtete mich zaghaft auf und musste mich erst orientieren, so von der Rolle war ich“.

Und dann sagte ich, um meiner Tochter die Gefahr und die Ereignisschwere zu erklären, da ich mir das Knie aufgeschürft und blutig aufgeschlagen hatte: „Anastasia, ich habe sogar geblutet“.

Das verfehlte seine Wirkung bei meiner zartbesaiteten Tochter nicht. „Und weiter?“

Es kam plötzlich eine liebevolle Stimme, fragte was passiert sei und ob er helfen könne. Urplötzlich, nachdem ich zwei Stunden alleine in einer staubigen Hügelkette gepilgert war, gestürzt bin und mich verletzt hatte, war aus dem Nichts überraschend eine Person aufgetaucht, die mir Hilfe anbot.

„Schau Anastasia“, sagte ich, „in dem Moment, wo ich alleine war, verunsichert war, mich verlassen fühlte, einsam und verletzt war, stand plötzlich jemand hinter mir und bot mir Hilfe an.

Das ist für mich der Beweis Gottes“.

Da ich nicht wirklich ernsthaft verletzt hatte, klopfte ich mir den Staub aus den Kleidern und trank einen Schluck aus meiner Wasserflasche,

„Und als ich den Rucksack wieder auf den Rücken schulterte, war den Mann schon wieder weg, wie vom Erdboden verschluckt. Schau Anastasia, deswegen glaube ich, dass es Gott gibt. Man sieht ihn nicht, man hört ihn nicht, man kann ihn schlecht fühlen, aber wenn man Hilfe braucht oder in Schwierigkeiten steckt, offenbart sich Gott. Man muss ihn nur sehen wollen und ihn in seinem Handeln erkennen“.

Diese kleine Anekdote meiner Pilgerschaft hat Spuren hinterlassen, bei mir und meiner Tochter und so hoffe ich, dass sie auch Spuren in Ihren Herzen hinterlässt und uns die frohmachende Botschaft auch im täglichen Leben spüren lässt.

Auch heute noch sprechen wir manchmal über „meinen“ Gottesbeweis; einfach, kindgerecht, aus dem Leben und nicht hochgeistig theoretisch.

Hubert Rappold
Mesner St. Stephanus Unterschwillach

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