10 Tage Schmerzen – Unbezahlbar!

1. Der Entschluss:
Meinen Entschluss zur Pilgerreise nach Santiago fasste ich relativ kurzfristig. Ich hatte zwar schon länger mit dem Gedanken gespielt mich auf den Jakobsweg zu begeben, jedoch ernsthafte Gedanken hierüber habe ich mir erst im Juni 2014 gemacht. Ich saß auf der Arbeit und dachte mir spontan: Ich hab im Juli 4 Wochen Urlaub, da könnte man die Sache ja mal in Angriff nehmen.
Zu Hause hab ich mich dann an den Laptop gesetzt und angefangen intensiv zu recherchieren. Da ich bis dahin noch keinerlei Ahnung von Nichts hatte, war zunächst einiges zu eruieren. Zunächst mussten einmal die grundlegendsten Fragen geklärt werden. Die da lauteten:
Wann gehe ich los?
Wie lange und wie weit möchte ich pilgern?
Welchen Weg werde ich gehen?
Wo gehe ich los?
Wie komme ich da hin?
Wo komme ich an einen Pilgerpass?
Welche Ausrüstung brauche ich?
Wie komme ich wieder Heim?

Mehrere Tage habe ich am Laptop recherchiert bis ich dann eigentlich alles zusammengesucht hatte. Doch der Entschluss tatsächlich loszuziehen war innerlich immer noch nicht gefasst. Also habe ich meiner Entscheidungsfindung ein wenig auf die Sprünge geholfen. Da meine An-, und Abreise mit dem Flugzeug erfolgen sollte, habe ich den teuersten der Flüge aufgerufen und mir gesagt: „ Wenn ich den jetzt buche, dann gibt es kein Zurück mehr!“ Und schließlich senkte sich in Zeitlupe mein Zeigefinger auf das Touchpad, welcher den Cursor auf dem Bildschirm den Button „Jetzt kostenpflichtig buchen“ betätigen ließ. Es war also amtlich; ich werde pilgern!
Von hier an habe ich an zwei Tagen alle erforderlichen Maßnahmen in die Wege geleitet und war bereit für das große Abenteuer.
Zum Thema „Alleine oder in einer Gruppe“ war mir von Anfang an klar, dass ich alleine gehen werde. Die Gründe hierfür waren folgende:

Der trivialste aller Gründe ist wohl derjenige, dass ich spontan niemanden in meinem Freundeskreis kenne, den ich für dieses Abenteuer begeistern könnte.

Des Weiteren bin ich mir sicher, dass es auf kurz oder lang zwischen uns “knallen” würde, wenn man zwanghaft mit einer anderen Person oder gar einer Gruppe pilgern will. Denn es ist aus meiner Sicht quasi unmöglich jemanden zu finden, der den gleichen Rhythmus hat wie ich!

Ich möchte Aufstehen wann ich will.
Ich möchte Losgehen wann ich will.
Ich möchte so schnell gehen wie ich will und mich nicht dem Tempo eines Mitpilgers anpassen müssen.
Ich will Pause machen wann ich will.
Ich möchte die Tagesetappen wählen wie ich will.
Ich will meine Ruhe.

Kurz gesagt:

Ich will machen was ich will!

Und das hab ich dann auch getan. Ich habe mich für den Camino Francés entschieden. Lospilgern werde ich ab León. Für die Wegstrecke von etwa 310 km habe ich 10 Gehtage zuzüglich An-, und Abreise eingeplant. Das bedeutet einen Tagesschnitt von mehr als 30 Kilometern, aber das schien mir durchaus realistisch und machbar, zumal ich ja nicht zu den Unsportlichsten gehöre. Als Termin habe ich den 13.07 – 24.07.2014 ausgesucht.
Aber halt! Am 13.07 ist doch das WM Finale! Wenn Deutschland ins Endspiel kommt, kann ich nicht zum Public Viewing gehen. Aber da mir klar war, dass wir es wieder nicht ins Finale schaffen, bin ich bei diesem Termin geblieben. Und wie wir alle wissen, sollte ich Recht behalten! ;-)

2. Der Grund:

Warum mache ich das überhaupt? Diese Frage habe ich mir selbst mehrfach gestellt. Die Antwort ist ein Konglomerat aus Spiritualität, Sportlichkeit und Abenteuerlust.
Auf der einen Seite ist da die körperliche Herausforderung, der ich mich gerne stellen möchte. Auge in Auge mit dem inneren Schweinehund!
Des Weiteren habe ich das Bedürfnis, einmal komplett abzuschalten und einfach nur nachzudenken; worüber ist mir eigentlich egal. Einfach mal in Ruhe nachdenken.
Dazu kommt dann noch eine gute Portion Abenteuerlust. Ohne große Planung und Ahnung ins Unbekannte; diesen Kick wollte ich haben und hab ihn auch bekommen.
3. Die Vorbereitung:

Nach und Nach habe ich mir alles zusammengestellt, was ich für mein Abenteuer brauchte. Vom Rucksack, den ich mir bei meinem besten Freund ausgeliehen hatte, über den Pilgerpass, bis hin zu den Schuhen. Ich hatte mich bei den Schuhen für meine Einsatzstiefel von der Arbeit entschieden, die ich schon seit 10 Jahren trage und auch längere Wanderungen problemlos bewältigt hatten. Ein folgeschwerer Fehler, wie wir später noch sehen werden. An Medikamenten jeglicher Art sollte es zumindest nicht fehlen.

Für jedes Wehwehchen das richtige Mittelchen!
Für jedes Wehwehchen das richtige Mittelchen!

4. Die Anreise: (13.- 14.07.2014)

Es geht los!
Meine Anreise nach León erfolgte in zwei Etappen. Zunächst flog ich Sonntags von Stuttgart nach Barcelona. Dort angekommen machte ich mich umgehend auf die Suche nach einer geeigneten Location, um mir das WM Finale, wider Erwarten mit Deutscher Beteiligung, anzusehen. Zunächst musste ich feststellen, dass es so etwas wie Public Viewing in Barcelona nicht gab; könnte mit dem Vorrunden-Aus der spanischen Nationalmannschaft zusammenhängen. Nach etwa einer Stunde hatte ich dann ein gemütliches Irish Pub gefunden, wo das Spiel auf einer 2 Meter großen Leinwand übertragen wurde. Nach einem deftigen Abendessen und einen schönen Fußballabend, legte ich mich als frisch gebackener Weltmeister direkt nach dem Spiel ins Bett.
Am nächsten Tag klingelte der Wecker bereits um 5 Uhr. Mit einem Taxi ging es dann wieder zum Flughafen. Dort wartete dann ein kleiner süßer Jet, welcher gerade einmal 34 Sitzplätze hatte. Dieser beförderte mich dann zum Flughafen von León, wo meine Pilgerreise dann endgültig startete. Der Flughafen von León ist übrigens noch kleiner als der in Saarbrücken und verdient die Bezeichnung Flughafen nur bedingt. Er liegt wenige Kilometer außerhalb der Stadt in dem beschaulichen Dorf namens Virgen del Camino. Wie der Name bereits verrät, führt der Camino durch den Ort, was bedeutete, dass ich umgehend ab dem Flughafen losgehen konnte.

Ich verließ also das Flughafengebäude, atmete einmal tief durch und ging einfach los.

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Elitär mit dem Jet von Barcelona nach Leon.

 

5. Mein Camino:
14.07.2014: Virgen del Camino – Hospital de Orbigo (29 km, 6 h 04 m)

Nachdem ich vom Flughafen aus in den Ort reinkam, habe ich mir zunächst umgehend den ersten Stempel an einer Touristeninformation besorgt. Genau dort habe ich dann zum ersten Mal nicht schlecht gestaunt. Da stand ein Mann barfuß vor mir und grüßte mich mit einem fröhlichen „Buen Camino“. Wir kamen dann kurz ins Gespräch. Ich erfuhr dass der Mann von Belgien aus lospilgerte, und das barfuß! Absoluter Wahnsinn wie ich finde.
Im Anschluss ging es dann richtig los. Wo ist der erste Pfeil oder eine Muschel, die mir den Weg weist? Nach kurzer Zeit wurde ich fündig und ich machte meine ersten Meter auf den sagenumwobenen Weg, den schon so viele vor mir bestritten hatten.
Da es mein erster Tag war, war alles was ich sah spektakulär und interessant. Jeder Pfeil und jede Muschel mussten fotografiert werden. Im Nachhinein muss ich jedoch sagen, dass diese erste Etappe die „unschönste“ war. Zunächst ging es durch ein Industriegebiet, welches nicht gerade den Charme eines Jahrhunderte alten Pilgerweges versprühte. Im weiteren Verlauf ging es Stundenlang an einer viel befahrenen Landstraße immer geradeaus. Die Füße begannen bereits hier nicht unerheblich zu brennen. Was mir jedoch bereits am ersten Tag auffiel, waren die vielen Störche! Überall Störche. Auf nahezu jedem Kirchturm befand sich ein Nest, wo meistens auch ein Storchenpaar samt Nachwuchs drinsaß.
Was mir noch auffiel, waren die sehr freundlichen Einwohner am Rande des Jakobsweges. Stets wurde man mit einem freundlichen „Buen Camino“ begrüßt. Manche Leute stellten sogar Tische mit Keksen und Wasser auf den Gehweg vor ihrer Haustür, wo sich die Pilger kostenlos verpflegen konnten. Bis zum letzten Tag sollte diese Gastfreundlichkeit nicht abreißen!

Als ich also stur geradeaus an der Landstraße entlang pilgerte, fiel mir eine mannshohe Pflanze auf, die hier zu hunderten am Wegesrand standen. Da ich sehr neugierig bin, riss ich einen Stil ab und roch daran. Die Pflanze roch sehr stark nach Anis. Ist das eine Anispflanze? Keine Ahnung, denn ich weiß nicht wie Anispflanzen aussehen. Es könnte aber auch Fenchel sein, denke ich mir. Am Ende des Tages hab ich dann Dr. Google gefragt, der mir eindeutig zu verstehen gab, dass es sich um Fenchelpflanzen gehandelt hat.
Der Ortseingang von Hospital de Orbigo entschädigte für die bislang unansehnliche Landschaft. Die Brücke mit ihren unzähligen Brückenbögen haben mich nachhaltig beeindruckt. Eingekehrt bin ich dann in der „Albergue verde“. Die Herberge wird von einem „alternativen Ehepaar“ betrieben, ich kam mir ein wenig vor wie in Woodstock. Das Gemüse wurde selbst angebaut, beim gemeinsamen Abendessen gebetet und gesungen. Anschließend versammelte man sich auf der Terrasse, wo gemeinsam mit Gitarre und Gesang der Abend gemütlich ausklang. Was ich nun im Spiegel feststellte war, dass ich mir ordentlich das Gesicht und den Kopf verbratzelt hatte. Meinen Hut aufzusetzen, fiel mir leider zu spät ein. In den kommenden Tagen legte ich das edle Stück jedoch nicht mehr vom Kopf ab.

Zum Vergrößern der Fotos einfach anklicken!

 

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Garten in der Albergue Verde in Hospital de Orbigo
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Barfuß von Belgien nach Santiago!

 

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Ohne Hut! Der Sonnenbrand ließ nicht lange auf sich warten!
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Störche! Überall Störche!
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Ortseingang von Hospital de Orbigo
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Auffrischung der Elektrolyte!
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Abendessen in der Albergue. Israel, Spanien, Ungarn… Internationale Runde.
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Gemüsesuppe als Vorspeise
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Veggie-Pizza und Brokkoli-Salat!
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Zucchinikuchen als Desert
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Sonnenuntergang in der Albergue
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Gemütliches Beisammensein mit Gitarrenklängen nach dem Abendessen
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Der erste Pfeil in Virgen del Camino…. es kann losgehen!
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Pilgerskulpturen findet man hier regelmäßig
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Hier kann man sich nicht wirklich verlaufen
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Kilometerlang geradeaus an der Landstraße entlang. Nicht besonders ansehnlich…
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Schlafsaal in der Albergue.

15.07.2014: Hospital de Orbigo – El Ganso (30,7 km, 6 h 35m )

Los ging es heute relativ spät um 08:30 Uhr. In den kommenden Tagen war ich um diese Zeit schon lange unterwegs.
Bereits nach einigen Kilometern merkte ich, dass meine Füße immer stärker anfingen zu schmerzen. Es ging so weit, dass ich mir in Astorga sagte: „Keinen Schritt weiter!“ Ich habe mich in ein Lokal gesetzt und machte mir ernsthafte Gedanken, wie ich mit diesen Füssen noch 270 Kilometer gehen soll. Die Idee mit den Einsatzstiefeln war wohl doch nicht so genial, wie ich mir das gedacht hatte. Ein klassischer Anfängerfehler; und das mir, einem passionierten Besserwisser und Klugscheißer! Ich habe mir jedoch gesagt, dass ich auf keinen Fall aufgeben werde. Innerlich sah ich bereits die lachenden Gesichter derer Daheimgebliebenen, die mir ein solches Abenteuer eh nicht zugetraut hätten. Somit war Aufgeben kein Thema. Da ich noch meine Laufschuhe als Ersatz mit im Rucksack hatte, wechselte ich die Bereifung. In der Formel 1 würde man sagen „von der harten auf die weiche Mischung“.
Kleines Addendum:
Zu dem schönen Ort Astorga möchte ich jedoch noch ein sensationelles Bauwerk erwähnen. Es handelt sich um einen Bahnübergang für Fußgänger und Radfahrer. Hier wurde ein Metallturm errichtet, der zunächst 2 Etagen und etwa 10 Meter in Serpentinen nach oben führt, dann über die Gleise und wieder auf gleiche Weise hinunter. Der Weg über die Gleise, der Luftlinie eine Länge von 5 Metern hätte, hat so eine tatsächliche Länge von mehr als 100 Metern. Warum einfach, wenn´s auch kompliziert geht?!? Das können offenbar nicht nur die Deutschen, sondern anscheinend auch die Spanier. Ein Foto des Bauwerkes habe ich leider nicht gemacht, die Schmerzen an den Füßen haben mich es vergessen lassen.
Addendum Ende.

Nachdem ich mich nun mit Turnschuhen wieder auf den Weg machte, ging es deutlich besser. Was sich noch herausstellen sollte; die Füße waren bereits jetzt schon so stark in Mitleidenschaft gezogen worden, dass die kommenden Tage zu einer echten Herausforderung werden sollten.

Es ging nun langsam aber sicher in die Montes de León, immer weiter langsam aber sicher bergauf. Über nicht enden wollende Schotterwege, die meinen Füssen nicht gerade gut taten.

Und so langsam wollte dann auch mal Ruhe im Kopf einkehren, wenn ich mal gerade nicht an die Schmerzen in den Füßen denken konnte. Und was macht man, wenn man an nichts denkt? Also ich persönlich erwischte mich nun regelmäßig, dass ich innerlich Lieder sang, bzw auch deutlich vernehmbar mitsummte. Es war ein Sammelsurium an Liedern quer durch die internationale Musikgeschichte. Aber wie sagt man so schön… Wenns hilft!

Nach 30 Kilometern kam ich in dem kleinen Örtchen „El Ganso“ an, wo ich meine zweite Etappe in einer kleinen aber feinen Herberge beendete. Dort lernte ich Rodolfo kennen, der mein fast ständiger Begleiter werden sollte. Rodolfo ist in Italien geboren und lebt in der Schweiz. Wie ich im Laufe der nächsten Tage feststellen sollte, traf ich hier auf einen sehr beeindruckenden Mann mit einer sagenhaften Vita. Rodolfo ist zu Hause in der Schweiz auf den Camino aufgebrochen und wird bis Santiago mehr als 2100 Kilometer zurückgelegt haben! Auf unserem gemeinsamen Weg haben wir viele wertvolle Unterhaltung geführt, die ich nicht mehr missen möchte.
In der Nacht wurde ich von einer lauten Flatulenz geweckt. So ist das halt auf dem Camino. Back to the Pups! Wer der Absender war, kann ich jedoch nicht sagen.
Erwähnen möchte ich auch noch drei Italiener, die ebenfalls in dieser Herberge übernachteten. Einer von ihnen war blind und wurde von den anderen beiden auf Schritt und Tritt geführt: und das vermutlich bis Santiago. Chapeau!!!

 

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Gute Mine zum bösen Spiel… Die Schmerzen sind kaum noch zu ertragen!
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Der Weg ist das Ziel! Immer schön geradeaus!
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Der frühe Vogel wirft den längsten Schatten
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Kurz vor Astorga
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Wochenmarkt von Astorga
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Sieht besser aus als es geschmeckt hat…
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Ab und zu ein Selfie schadet nie!
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Und wieder geradeaus….so weit das Auge reicht
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Da die Füße reinhalten … leider nicht möglich
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Albergue in El Ganso… Klein aber fein!
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Astorga
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Astorga…

16.07.2014: El Ganso – Molinaseca (35,4 km, 7 h 50m)

Los ging es an diesem Tag bereits um 07:00 Uhr. Aufgrund der andauernden brütenden Hitze und Temperaturen von knapp 40 Grad gegen 18 Uhr, war es sinnvoll, früh loszugehend und zeitig in eine Herberge einzukehren. Rodolfo ist bereits gegen 06:00 Uhr aufgebrochen, an diesem Tag sollte ich ihn nicht mehr wiedersehen.
Auf den ersten Kilometern konnte man in dem weichen Sand auf dem Boden erkennen, dass hier wohl mehrere Personen barfuß unterwegs seien müssen. Sofort musste ich an den Belgier in Virgen del Camino denken. Doch der war nicht der Verursacher der Spuren, wie ich später feststellen konnte. Da sah ich nämlich einen anderen Mann, der ebenfalls barfuß auf diesem extremen Untergrund und bei einer solchen Hitze unterwegs war. Für mich immer noch unvorstellbar.
Die Landschaft auf dem Weg auf das „Dach des Camino“ ist herrlich. Schmale Pfade bahnen sich durch grüne Wiesen und kleinere Wälder. Dazu eine Aussicht wie aus dem Bilderbuch.
Auf der heutigen Etappe stand eines der Highlights des Camino Frances; das Cruz Ferro. Mit 1528 Meter über NN der höchste Punkt der spanischen Jakobswege. Richtig genießen konnte ich diesen Moment jedoch nicht. Die Füße schmerzten so stark, dass man quasi an nichts anderes mehr denken konnte. Und das sollte sich in den nächsten Tagen auch nicht ändern.
In der brüllenden Hitze beim Abstieg fiel mir auf, dass ich vor dem Losgehen vergessen hatte, meine Wasservorräte zu befüllen. Ich hatte in dem Rucksack ein „Camelbag“ mit 2 Litern Fassungsvermögen. Durch einen Schlauch, konnte man beim Gehen trinken, ohne den Rucksack abzulegen. Des Weiteren hatte ich eine Trinkflasche um meinen Bauch, die ich bei jeder Gelegenheit wieder auffüllte; jedoch nicht an diesem Tag. Ich möchte nicht sagen, dass ich dehydriert war, aber viel hat definitiv nicht mehr gefehlt. Als ich in Manjarin ankam, ging ich zu dem dort ansässigen !echten! Tempelritter. Dieser bietet gegen eine freiwillige Spende Wasser und Kekse an. Nachdem ich etwa 3 Liter Wasser quasi auf Ex in mich reinschüttete, füllte ich meine Wasservorräte auf, nahm mir eine Hand voll Kekse und setzte meinen Weg fort. Natürlich habe ich auch etwas gespendet.
Info für alle, die hier irgendwann noch vorbeikommen: Wenn man möchte, kann man sich von dem Tempelritter segnen lassen. Er macht das dann mit seinem Schwert und allem Pi-Pa-Po!
Nach einem sehr anspruchsvollen Abstieg kam ich dann nach Molinaseca. Für mich der schönste Ort auf meiner Pilgerreise. Über eine beschauliche Brücke über den Rio Meruelo geht es in den Ort hinein. Ein traumhafter Anblick!
Die Herberge an diesem Tag war die, im Nachhinein gesehen, Schlechteste auf meinem Camino. Gut geschlafen hatte ich trotzdem, nachdem ich meine Blasen an den Füßen bestmöglich versorgte.

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Barfuß ans Cruz Ferro!
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Molinaseca…. Einfach wunderschön!
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Herberge in Molinaseca… nicht unbedingt zu empfehlen…
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Sonnenaufgang in El Ganso…
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Impressionen
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Impressionen
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Herrliche Aussicht
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Am Cruz Ferro…. 1528 Meter über NN
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Beim Tempelritter in Manjarin
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Manjarin
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“Wach”-Hund des Tempelritters
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Der harte Abstieg …
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Ortseingang von Molinaseca
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Ortseingang von Molinaseca…
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Molinaseca…
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Molinaseca
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Isotonisch und lecker!
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Da sah es noch halbwegs gut aus… aber die Blase war nicht mehr zu retten…
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Ortsausgang El Ganso
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Rabanal del Camino
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Frühstück im freien… leider ohne mich.. keine Zeit… muss weitergehen!!!
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Auf dem Aufstieg zum Cruz Ferro
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Impressionen
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Impressionen
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Impressionen
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Foncebadón
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Cruz Ferro
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Selfie in luftiger Höhe…
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Abstieg in Richtung Molinaseca
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Impressionen

 

 

17.07.2014: Molinaseca – Pereje (40,6 km, 8 h 42m)

Wieder startete ich um 07:00 Uhr. An diesem Tag habe ich geschafft, was auf diesem Weg nahezu unmöglich ist. Ich hatte mich verlaufen. Ich hatte mir in einem kleinen Laden einen Pfirsich gekauft. Dieser war so hart, dass er meine ganze Konzentration auf sich zog. Vor lauter Angst auf den Kern zu beißen, bog ich an einem Kreisverkehr links ab, anstatt dem gelben Pfeil geradeaus zu folgen. Dies bescherte mir mehr als einen Kilometer Umweg. In Ponferrada habe ich dann bei der Post ein Paket aufgegeben und insgesamt 5 Kilo unnötiges Gepäck nach Hause geschickt. Die Portokosten betrugen mehr als 50 Euro, das Paket ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht daheim angekommen. Ein Rechercheantrag blieb bis dato erfolglos. –Sehr ärgerlich!
Auf einem asphaltierten Weg ging es vorbei an Feldern, wo Mais, Zucchini und sonstiges Gemüse angebaut wurde. Der Bewässerung diente ein ausgeklügeltes Kanalsystem. Das Wasser, welches wohl aus einem Fluss stammte, wird über Kanäle an den Feldern vorbeigeführt. Mit Schiebern, die nach oben gezogen werden, kann dann jedes Feld einzeln bewässert werden.
Mir persönlich als leidenschaftlicher Hobbygärtner fiel hierbei ein älterer Mann auf, der einen Ziehwagen voller Zucchini gerade geerntet hatte. Die Teile waren mindestens 50 cm lang und hatten schätzungsweise ein Gewicht von mehreren Kilo. Aber wer will solche Trümmer essen??? Wenn Zucchini so groß werden, dann sind sie hart wie Stein und eigentlich nicht mehr vernünftig zu verzehren. Meine Theorie war aus diesem Grund, dass die Kolosse fürs Vieh bestimmt waren.
Im Anschluss, in dem schönen Örtchen Cacabelos, beim Überqueren des Rio Cua , konnte ich zahlreiche Menschen beim Baden im kühlen Nass bestaunen. Der Neid strebte gegen Unendlich, aber fürs Baden hatte ich gerade echt keine Zeit. Auch mehrere Kanufahrer erfreuten sich der kühlen Erfrischung.

Nach diesem Ort folgte ein Stück von mehr als 7 Kilometer an einer vielbefahrenen Bundesstraße entlang bis nach Villafranca del Bierzo. Dort habe ich dann in einer Gaststätte wieder zwei Flaschen “Aqua con gas” zum mitnehmen geordert und mit auf den Weg genommen. Ich habe mittlerweile gelernt, dass Trinken hier das A und O ist! Ich trinke während des pilgerns mittlerweile zwischen 6 und 8 Litern Wasser. Und das ist bitternötig; denn bis auf ein einziges Mal musste ich während des gesamten Caminos nur beim Wandern nur ein einziges mal unterwegs pinkeln… und das sagt ja einiges aus! 8 Liter rein, nix raus! Alles unterwegs rausgeschwitzt.

Was mir ebenfalls wieder an diesem Tag auffiel: Hier in Spanien gibt es nur in wenigen Gaststätten Wasser mit Kohlensäure. Und das liebe ich! Je mehr Kohlensäure, desto besser! Stilles Wasser ohne Kohlensäure ist für mich eine echte Strafe! Aber wenn ich nur stilles Wasser bekommen habe, hab ich mir das natürlich notgedrungen einverleibt.

Nach Villafranca del Bierzo ging es wieder spürbar bergauf.
Meine Füße brannten wie Feuer, dennoch habe ich an diesem Tag mehr als 40 Kilometer zurückgelegt. Auf den letzten Metern vor meinem heutigen Etappenziel Pereje, holte mich Rodolfo ein. Gemeinsam kehrten wir in der einzigen Herberge in dem 180-Seelen Dorf ein. Es handelte sich um die schönste Herberge meiner Reise. Urig mit Natursteinen gemauert, fühlte man sich in dem nur 10 Betten fassenden Schlafraum wie in einer Burg. Die Betten waren Top, die Matratzen fantastisch. Bei einem Übernachtungspreis von 5€ ein Traum! Gemeinsam gingen wir noch etwas essen. Wie immer sollte es das Pilgermenü sein. Für durchschnittlich 8€ bekommt man auf dem Camino eine Vorspeise, ein Hauptgericht, ein Dessert, sowie Brot und Wein, alternativ Wasser. Die Qualität des Essens war OK, für den Preis unschlagbar. Ich hatte zwar, wie die Tage zuvor, keinen Appetit und Hunger, aber man muss ja doch etwas essen. Mir fiel auf, dass in allen Lokalen die Pommes immer aus frischen Kartoffeln gemacht sind. Keine TK-Ware, echt klasse!
Das Einschlafen im Anschluss fiel etwas schwerer als sonst, da zwei Italienische Pilger wirklich sehr laut schnarchen. Ich bin zwar von zu Hause einiges gewöhnt, ich möchte an dieser Stelle den Namen C. Winter nicht erwähnen, aber das war schon fast im Bereich der Körperverletzung.

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Impressionen
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Pilger mit Esel
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…in Ponferrada… Wo geht´s lang? Natürlich bergauf…
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Ponferrada
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Festungsanlage Ponferrada
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Albergue in Pereje
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Schlafsaal in der Herberge… Hinten rechts die beiden Schnarch-Italiener…
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Notizen bei kühlen Kaltgetränken…
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Noch 176 km
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Rodolfo und ich bei einer kleinen Vorspeise…
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Mein Bett… Seehr bequem!
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Immer wieder Störche….
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Typisches Hauptgericht eines Pilgermenüs… Salat, Fleisch, FRISCHE Fritten…
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Impressionen
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Bewässerungssystem der Gemüsebauern…
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Ein Karren voll Monster-Zucchini… Vermutlich hart wie Stein…
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Kunst am Rande des Camino
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Der Rio Cua bei Cacabelos. Neidisch auf einer Skala von 1-10: 11!

18.07.2014: Pereje – Fonfria (Über O Cebreiro) (37km, 8 h 16 m)

Aufgestanden bin ich an diesem Tag bereits um 05:20 Uhr. Schuld waren die bereits erwähnten Schnarcher. Diese hatten zum einen die ganze Nacht durch laut geschnarcht, zum anderen erwiesen sie sich als sehr laute und rücksichtslose Frühaufsteher. Aus diesem Grund ging ich schon um 06:00 Uhr los. Rodolfo hatte sich wie jeden Morgen bereits zu diesem Zeitpunkt auf den Weg gemacht. Die Blasen machten ab den ersten Metern das, was sie am besten können – wehtun! Und das gewaltig! Leider konnte ich aus diesem Grund die herrliche Landschaft nicht wirklich bewundern. Zum Glück hatte ich ausreichend Fotos geschossen, die mir zumindest im Nachhinein noch das herrliche Panorama vor Augen führen.
Über O Cebreiro ging es zwei steile Anstiege bergauf. Die aus meiner Sicht härteste Etappe auf meinem Camino! Über schlammige Wege und dicke Wurzeln geht teilweise so steil bergauf, dass man fast nur auf allen Vieren voran kommt. Doch das wunderschöne O Cebreiro entschädigt für die Anstrengungen! Im weiteren Verlauf geht es wieder ein Stück bergab, um dann ein zwetes mal richtig Steil wieder nach oben zu führen. Auch für mich als durchaus durchtrainierten und ausdauernden Pilger eine echte Härteprüfung.  Nach knapp 37 Kilometern kehrte ich dann in Fonfria in einer Herberge ein. Es war die größte Herberge auf meiner Reise mit über 70 Betten pro Schlafsaal. Die Betten waren jedoch sehr bequem und es hatte auch nicht diese befürchtete Behnhofshallenromantik. Die Betten waren teilweise aus massiven Baumstämmen gezimmert und wirkten so sehr heimisch und urig. Als ich nach dem Einkehren vor der Herberge saß, kam Rodolfo des Weges entlang. Er wollte jedoch seinen Tagesmarsch noch nicht beenden und ging nach kurzem Plausch wieder weiter. Eine schmerzende Blase ließ ihn jedoch nur einen Ort später auch in einer Herberge einkehren, wie er mir später berichtete.
Das Abendessen war an diesem Abend klasse. Die Herberge hatte auf der anderen Straßenseite ein eigenes Gebäude, wo das Abendessen gemeinsam mit allen andern Pilgern in einem großen Speisesaal serviert wurde.
An diesem Abend hatte ich das erste Mal richtig Hunger und Appetit. Und dann gab es noch als Vorspeise eine Grüne-Bohnen-Suppe. Für mich als bekennender Suppenkasper der Himmel auf Erden. Völlig ungeniert habe ich erst mal 3 randvolle Teller weggeputzt. Inklusive Hauptgericht und Dessert hatte ich mich endgültig rundgefuttert und ging zeitig schlafen.

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Impressionen
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Herrliche Landschaft…
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Über den Wolken….
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Muuuuuuuh!
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Impressionen
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Impressionen
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Impressionen
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Impressionen
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Guckst du?!?
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Keep Smiling
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Speisesaal in Fonfria! HUNGER!!!!!
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Speisesaal…. Urig….Schön!
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Suppe!!!! Und was essen die Anderen? :-)

 

19.07.2014: Fonfria – Barbadelo (34,5km, 8 h 00 m)

Dieser Tag war der erste und auch letzte Tag mit schlechtem Wetter. Hin und Wieder ein Schauer, aber meist bedeckt und trocken.
Die ersten Kilometer führten permanent bergab und brachten mich nach Triacastela. Ortseingang ist eine uralte Kastanie zu bewundern, die angeblich bereits mehr als 800 Jahre alt sein soll. An das obligatorische Foto habe ich aufgrund unerträglicher Schmerzen nicht gedacht. Im Ortskern habe ich eine Apotheke aufgesucht und mich neu mit Schmerzmitteln eingedeckt. Nur so war es überhaupt möglich, jeden Tag bis zu 9 Stunden zu wandern. Auffällig waren die Minipreise für Medikamente. Eine Packung Ibo-600, 40 Stück kosteten lächerliche 1,98€! Wie in der alten Fernsehwerbung von „Storck Riesen“ habe ich die ersten drei Tabletten bereits in der Apotheke reingeworfen. Und die ersten drei isst er immer noch sofort! ;-)
Für alle, die jetzt schmunzeln; zu dem Spot geht es auf dem folgenden Link:

Zum Storck Spot hier klicken!!!
Nach Triacastela teilt sich der Weg. Ein Weg, der Längere, führt über Samos, der andere Weg führt über San Xil. in dem Örtchen Perros bzw. Vigo treffen die Wege wieder aufeinander in Richtung Sarria. Ich habe mich für den kürzeren Weg über San Xil entschieden. Dort ging es über sehr schöne Wald-, und Feldwege an grünen Wiesen vorbei. Dort konnte ich einen ganzen Schwarm Klapperstörche sehen. Es waren mindestens 60 Tiere, die gemeinsam auf einer Wiese standen. Falls die Bezeichnung “Schwarm” bei Klapperstörchen nicht korrekt ist, bitte ich um Nachsicht. Auf diesem Stück des Weges habe ich dann Rodolfo wieder eingeholt. Den Rest des Tages gingen wir gemeinsam. In Sarria hatten wir eine Pause gemacht und einen Burger gegessen.
Was wir noch nicht wussten, aber bereits ahnten, folgte auf den folgenden Kilometern bis Santiago. Wie fast alle, die sich halbwegs mit dem Camino auskennen, wissen, muss man mindestens 100 Kilometer zu Fuß pilgern, um in Santiago die Urkunde „Compostela“ zu erhalten. Sarria befindet sich knapp über der 100km-Grenze und ist deshalb ein beliebter Startpunkt für die so genannten 4 Tages-Pilger.
Ab hier nimmt das Pilgeraufkommen spürbar zu. Ganze Schulklassen werden ab hier über den Camino getrieben, eine nicht so schöne Seite dieses Bekanntesten und Beliebtesten aller Caminos. Erschwerend kam in diesem Fall noch hinzu, dass der 25. Juli unmittelbar bevorstand. An diesem Tag feiert man in dieser Region, insbesondere in Galicien und vor allem in Santiago den Jakobstag zu Ehren Jakobus. Um pünktlich zu diesem Termin in Santiago zu sein, machten sich gerade in diesen Tagen noch deutlich mehr Pilger als sonst auf den Weg.
Gemeinsam gingen wir bis nach Barbadelo, wo wir in einer Pension einkehrten und quasi luxuriös in kleinen, vornehmen 5 Betten Zimmern übernachteten. Die Blasen hatten sich, wie ich nun feststellen musste, stark entzündet und schmerzten so sehr, dass ich über einen Ruhetag nachdachte. Ich hatte in den letzten 6 Tagen bislang bereits 207 Kilometer zurückgelegt, was den angestrebten Schnitt von 30 km pro Tag deutlich überschritt. Somit hatte ich mir quasi einen Ruhetag rausgelaufen. Die Entscheidung vertagte ich jedoch auf den morgigen Tag. In der Herberge lernten wir Xavier kennen. Er ist ein spanischer Arzt, mittlerweile Professor an einer amerikanischen Universität für „public health“.
Zu dritt gingen wir in das ansässige Restaurant zu Abend essen. Wir wählten das galizische Nationalgericht „Pulpo“ (Octopus, nicht zu verwechseln mit Tintenfisch!)
Hierbei wird der Pulpo gekocht und die Tentakel in Stücke geschnitten. Darüber wird Olivenöl, Paprikapulver und grobes Meersalz gegeben. Schmeckt lecker, muss ich aber nicht jeden Tag haben. Danach ging es zeitig zu Bett.

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Amerikanische Schwestern und Xavier, der Arzt…
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Es tut “weher” als es ausschaut!
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…und wieder Störche..!
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Kleiner Snack in Sarria gemeinsam mit Rodolfo
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Pulpo…. Kann man durchaus essen!

20.07.2014: Pausentag

Ich hatte mich entschlossen, an diesem Tag eine Pause einzulegen. Es war im Nachhinein gesehen definitiv die richtige Entscheidung, denn ich glaube, dass ich von einer Sepsis nicht weit entfernt war.
Zunächst fuhr ich mit dem Taxi nach Portomarin, wo ich in einer Apotheke vernünftige Salbe für meine Blasen kaufte und die Wunden versorgte. In einer Gaststätte unmittelbar an der Kirche wartete ich auf das Eintreffen von Rodolfo. Dieser erreichte einige Zeit später Portomarin und setzte sich zu mir. Wir vereinbarten, dass ich mit dem Taxi noch ein paar Orte weiterfahre und uns einen Platz in einer Herberge suche. Dies gestaltete sich schwerer als gedacht. Aufgrund der zahlreichen 4-Tages-Pilger hatte ich in den ersten beiden Herbergen keinen Erfolg. Erst in Palas del Rei konnte ich noch die zwei letzten Betten ergattern. Als Rodolfo dann eintraf, gingen wir zusammen in ein Restaurant essen. Es gab als Vorspeise Tintenfischringe. Die waren so lecker, dass ich wohl nie wieder die bei uns zulande in der Tiefkühltruhe angebotenen Gummiringe anfassen werde. Die Rechnung hat übrigens Rodolfo bezahlt! Wir vereinbarten, dass er mich quasi als Wiedergutmachung bei mir zu Hause besucht. Da kann ich mich dann von der spendablen Seite zeigen! Der Besuch steht bis dato noch aus, aber wir sind per Mail im Kontakt und es steht fest: Der Besuch wird stattfinden!!! Darauf freue ich mich schon sehr!
Mit vollem Bauch ging es dann ins Bett.

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Feudales Abendessen in Palas del Rei!
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Kirche von Portomarin
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Guckst du immernoch?!?
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Blödeln macht froh!
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Rodolfo und ich beim Abendessen.
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Die besten Tintenfischringe, die ich jemals gegessen habe!
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Salat “Mistra”

21.07.2014: Palas del Rei – Arzua (30,4 km, 6 h 46 m)

Die Pause hat meinen Füßen sehr gut getan. Die Schmerzen waren deutlich erträglicher. Getrennt gingen Rodolfo und ich wie jeden Morgen los, liefen uns aber mal wieder nach einiger Zeit über die Füße. Als wir also gemeinsam wieder nebeneinander her pilgerten, holte uns eine ansehnliche Mexicanerin namens Claudia ein. Ohne umschweife drückte sie mir ihre Nordic-Walking Sticks mit der Begründung in die Hand “ich würde so unrund gehen, dass ich sie nötiger habe als sie, so kurz vor dem Ziel”. Dieses Geschenk nahm ich dankend sehr gerne entgegen. Und ich muss als Nordic-Walking-Skeptiker eingestehen, dass die Teile das Gehen echt erleichtert haben! Claudia setzte danach ihren Weg alleine  fort, Rodolfo und ich gingen Seite an Seite ebenfalls immer weiter in Richtung Santiago. Die Hitze war an diesem Tag nahezu unerträglich, dazu kamen fiese Gefälle und Steigungen. Als ich zwischendurch auf meine Arme schaute,dachte ich, dass sie voller Schweißperlen seinen. Dem war allerdings nicht so! Es handelte sich um Hitzebläßchen! Im Schutze des Schatten eines großen Apfelbaumes schmierte ich mich daraufhin noch einmal mit einer heftigen Menge Sonnencreme ein. Die Bläßchen verschwanden daraufhin innerhalb einer halben Stunde wieder. Gemeinsam gingen wir weiter bis nach Arzua. Ortseingang legte Rodolfo eine Pause ein. Ich suchte mir am Ende des langgezogenen Ortes eine Herberge. Rodolfo ging nach seiner Pause noch einige Kilometer weiter. Sein Plan war es bereits am morgigen 22. Juli in Santiago zu sein, um wieder aus der Stadt Richtung Finisterre zu sein, bevor die Stadt anlässlich der Feiertage komplett überfüllt ist. Ich dagegen blieb in Arzua und kehrte zunächst in eine gemütliche Gaststätte ein. In Arzua war es richtig voll. Grund hierfür ist, dass hier zusätzlich der Camino Primitivo, Camino del Norte und der Via de la Plata auf den Camino Frances stoßen und ab hier gemeinsam nach Santiago führen. Die Pilgerautobahn wird quasi von einspurig auf vierspurig ausgebaut. Logisch, dass dann auch mehr Pilger unterwegs sind.
Nach einem kühlen Bierchen und einem leckeren Abendessen ging ich wieder einmal zeitig ins Bett.

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Echt lecker, dieses Estrella!
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Also über das Wetter konnte man sich wirklich nicht beschweren…
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Jetzt geht´s dem Pulpo an die Tentakel!
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Kleiner Snack zur Mittagszeit… Regionaler Suppentopf und Pulpo…
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Der Flüssigkeitshaushalt darf nicht vernachlässigt werden…
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Angekommen in Arzua… Erst mal was kleines beißen!
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Vorspeise im Pilgermenü
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Hauptgericht im Pilgermenü

 

22.07.2014: Arzua – Lavacolla (29km, 6 h 15 m)

Dieses Teilstück war ohne große Vorkommnisse. Durch mächtige Eukalyptuswälder bei O Pedrouzo geht es auf die letzten 20 Kilometer. An diesem Punkt fing ich mal wieder an nachzudenken. Worüber weiß ich nicht mehr genau. Ein Gedanke blieb mir jedoch in Erinnerung. Wenn man einen mehrere Jahrhunderte alten Pilgerweg entlang geht, fängt man an nachzudenken, wer alles bereits über genau diesem Stein gegangen ist, über den ich gerade gestolpert bin. Hape Kerkeling zum Beispiel. Aber wie viele Menschen waren es denn? Eine Millionen? Zehn Millionen? Keine Ahnung. Aber ich würde es wirklich gerne wissen! Und noch ein tolles Gedankenspiel: Wie lange wäre die Schlange, wenn alle Pilger, die jemals in Santiago angekommen sind, sich in einer Schlange hintereinander aufstellen würden. Der erste Jakobspilger, namentlich war das laut Literatur Alfonso II „der Keusche“, steht unmittelbar vor dem Grab Jakobus, und alle weiteren Pilger in einer Schlange dahinter! Wie lange wäre diese Schlange? 100 Kilometer? 1000 Kilometer? Diese Frage finde ich sehr spannend! Mit diesem Gedankenspielen spulte ich diese Tagesetappe quasi wie in Trance ab.
Bereits hinter dem Flughafen von Santiago, nur noch etwa 10 Kilometer von Santiago entfernt, hatte ich mir dann etwas ganz besonderes gegönnt. Eine Übernachtung in einem Hotel in Lavacolla! Ganz alleine! Kein Schnarchen, kein Furzen, eine eigene Dusche, frisches Bettzeug; Herrlich!
Nach einem leckeren Abendessen ging ich voller Vorfreude auf den kommenden Tag schlafen.
Kleine Anekdote über den Ort Lavacolla:
An einen kleinen Bach in diesem Ort war es früher ein Brauch sich zu waschen, um sauber und nicht stinkend in Santiago anzukommen. Dieser Brauch beruht jedoch vermutlich auf einem Missverständnis. Offenbar gab es einen Übersetzungsfehler. Statt „Lavacolla“ korrekt „voller Geröll“ zu übersetzten, verstand der französische Mönch Aymeric Picaud und Verfasser eines mittelalterlichen Pilgerführer „Lava coleo“, was soviel wie „sich die Genitalien waschen“ bedeutet. Geschadet hat das Waschen wohl trotzdem wohl keinem. (Nachzulesen im Rother Wanderführer!)

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Malerisch… Herrlich!
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Und immer schön an die Selfies denken!
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Impressionen
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Eukalyptuswald bei O-Pedrouzo
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Impressionen
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Kostenlos zum Pilgermenü
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Und wieder diese frischen Pommes… Ich liebe sie!

 

23.07.2014: Lavacolla – Santiago de Compostela (13 km, 2 h 37 m)

Wieder ging es um Punkt 07:00 Uhr los. Nach etwas mehr als einer Stunde erreichte ich den Monte do Gozo, den „Berg der Freude“. Hier kann man zum ersten Mal die Kathedrale von Santiago erblicken. Nach einem Selfie vor dem Denkmal anlässlich des Papstbesuches 1993 ging es dann auf die letzten Kilometer.
Um 09:28 Uhr war es dann so weit. Noch durch einen Rundbogen und plötzlich steht man da; auf den Platz vor der Kathedrale. Am 0 Kilometer-Stein! Das Ziel ist erreicht, aber irgendwie will keine Freude so recht aufkommen. Ich hatte mir die Ankunft spektakulärer vorgestellt; aber dennoch, es war vollbracht. Im Endeffekt 280 Kilometer in 9 Gehtagen. Nachdem ich einige Minuten regungslos die Kathedrale anstarrte, ging ich zum Offizio del Peregrinos, wo meine Compostela ausgestellt wurde. Danach traf ich mich mit Rodolfo, der uns bereits 2 Plätze in einer Herberge besorgt hatte. Nachdem ich meinen Rucksack in der Herberge abstellte, gingen wir um 12 Uhr in die Pilgermesse. Das Highlight war natürlich die Zeremonie mit dem Botafumeiro. Bevor die Messe losging, wurde in nahezu allen Weltsprachen mehrfach erwähnt, dass das Filmen und Fotografieren während des Gottesdienstes nicht gestattet sei. Als es dann losging, hatten mindestens 90% aller Pilger ihre Handys und Fotoapparate in der Hand, filmten und machten Fotos. Ich habe es der Versuchung zum Trotze nicht getan. Nach der Messe gingen Rodolfo und ich essen. Wir fanden ein Restaurant, wo wir ein herrliches Rinderkotelette verspeisten. Im Anschluss ging Rodolfo in die Herberge, ich ging in die Stadt und schaute dem bunten Treiben zwei Stunden lang zu. Sehr interessant und etwas surreal. Ich konnte es immer noch nicht so recht verstehen, dass ich am Ziel angekommen bin. Abends hatten sich Roldolfo und ich in einem Supermarkt mit Wurst, Käse, Brot, Pistazien, Pfirsichen, Kirschen eingedeckt und im Garten der Herberge gemütlich gegessen. Abschließend noch eine von Rodolfo spendierte Zigarillo und dann ging es ins Bett. Am nächsten Morgen stand Rodolfo wie immer früh auf und machte sich nach kurzer Verabschiedung auf den Weg zum Ende der Welt.
Nachdem ich bis 9 Uhr ausgiebig ausgeschlafen hatte, ging ich zunächst auf den großen Platz vor der Kathedrale. Dort waren die Arbeiten für das Jakobsfest in vollem Gange. Mehrere TV Sender platzierten ihre Übertragungswagen, Reporter berichteten live im spanischen Fernsehen. Nachdem ich dem bunten Treiben eine lange Weile zusah, machte ich mich auf den Weg zum Flughafen. Gegen 18 Uhr landete ich wieder in Deutschland; die Reise war zu Ende!

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Nicht mehr weit! Das Ziel ist bald erreicht…
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Am Monte do Gozo
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Monte do Gozo
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Denkmal zu Ehren des Papstbesuches
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Orsteingang …. Es sind nur noch wenige hundert Meter
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09:28 Uhr: Ich bin daaaaaa!
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Am Ziel!
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Die Kathedrale! Da is das Ding!
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Am Grab des Apostels
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Reliquienschrein des Apostels
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Kurz vor der Pilgermesse
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Meine Compostela
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…und die EntfernungsUrkunde
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Vor der Kathedrale
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In den Gassen kann man dem bunten Treiben ungestört zuschauen
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… bei den Kollegen…
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Das Rinderkotelette… Das gibt Kraft! Und der verdiente Lohn!
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Abendessen in der Herberge mit Rodolfo…

In 9 Tagen bin ich 280 Kilometer gepilgert und habe trotz der höllischen Schmerzen eine tolle Zeit gehabt. Ich kann nur jedem empfehlen, sich auch einmal auf den Weg zu machen. Egal aus welchem Grund.

Es lohnt sich!
Buen Camino!

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