Von Frankfurt per Flugzeug nach Santiago und dann direkt nach Ponferrada bei schönstem Wetter.
Inhalte
Etappe 1: Ponferrada – Las Medulas – Orellán (33,3 km)
Nachdem es am Tag der Anreise Sonne pur gegeben hatte begann der erste Lauftag mit Regen. Dafür
hat man dann ja auch die entsprechende Kleidung und so ging es los. Erstmal den Abzweig zum
Camino Invierno suchen und dann raus aus der Stadt. Der Regen wurde dann auch weniger.
Landschaftlich sehr angenehm und der Elan war ja auch da. Alleine lief ich also durch die Lande und
nahm den originalen Weg und nicht die Abkürzungen. So sah ich dann irgendwann das Castillo de
Cornatel weit oben am Berg. Was ich nicht bedachte war: ich erklimme den Berg und stehe dann
davor. Irgendwie dachte ich eher ich laufe um den Berg herum. Aber natürlich ist man stolz, wenn
man dann oben ist und das Castillo vor sich sieht.
Von da ging es dann auch wieder ins Tal und ich wollte die Wasservorräte auffüllen, bevor der
Anstieg nach Las Medulas kommt. Fehlanzeige, kein Geschäft war zu finden und das einzige Hotel
hatte zu. Also wurde die letzte verbliebene 0,5er Flasche am Brunnen aufgefüllt. Das war dann auch
das Minimum, denn es wurde warm, teilweise aber Regen und somit eine Sauna unter dem Poncho
und etwa 8 Kilometer bergauf. Als Hinweis sei hier gesagt, dass der tolle Aussichtspunkt (Bild bei
Bericht Etappe 2) auf die roten Felsen von Las Medulas nicht auf dem Weg liegt, sondern der Mirador
de Orellán ist.
Etappe 2: Orellán – Las Medulas – O Barco de Valdeorras (36 km)
Früh am Morgen startete ich bei schönem Wetter und muss gestehen ich hatte mich etwas vertan
mit dem Aussichtspunkt und den Kilometern. Daher wurde der Tag dann entsprechend anstrengend.
Wie schon am Vortag war ich komplett alleine auf dem Weg und das Wetter wurde zur Wundertüte.
Die Aussicht am Mirador de Orellán war es absolut wert und ich hatte auch das Glück, dass das
Wetter zu dem Zeitpunkt gut war.
Über Las Medulas ging es dann bergab bis Puente de Domingo Flórez, wo ich am Mittag eine Pause
einlegte. Die Landschaft ist wirklich beeindruckend und die Schönheit des Camino Invierno zeigt sich
immer wieder. Ich ging weiter bis Rubia, wo ich wetterbedingt eine Pause einlegt. War ich morgens
noch voller Energie und Motivation, so muss ich sagen, dass ich in O Barco nur noch die Unterkunft
herbeisehnte und froh war, als ich endlich ins Bett fallen konnte.
Nach zwei Tagen fast 70 Kilometer, das war einfach zu viel, aber es stand ja eine kurze Etappe bevor.
Etappe 3: O Barco de Valdeorras – A Rua de Valdeorras (15 km)
Schönes Wetter und eine kurze Etappe. Ideal zum Durchschnaufen. Dachte ich, aber irgendwie
ziehen sich die Kilometer mehr, wenn man im Kopf hat, dass man nur 15 Kilometer vor sich hat.
Zudem bin ich erst am Mittag gestartet und auch das war ungewohnt. Aber natürlich habe ich die
Etappe gut geschafft bei sehr wechselhaften Bedingungen. Von Sonne über Regen bis stürmisch war
so alles dabei.
Landschaftlich gab es wieder einige schöne Passagen. Aber meine Laune war ziemlich am Boden. Die
ersten beiden kraftraubenden Etappen, die Einsamkeit auf der Strecke und gesundheitlich mit
leichten Problemen.
Irgendwie war es noch nicht mein Weg und ich habe darüber nachgedacht, ob ich den Camino
Invierno abbreche und stattdessen z.B. auf den Portugues wechsle. Diese Gedanken begleiteten mich
trotz der tollen Landschaft einige Tage. Von den vorherigen Caminos wusste ich ja, dass es einen
pusht, wenn man in Gesellschaft geht und sich manchmal unterhält. Hier blieben mir nur die
Gedanken, die mich den Tag über begleiteten und die Kilometer, die ich zum Ziel bewältigen musste.
Der Gedanke abzubrechen kam wirklich öfter, aber da war noch der Stolz, der das nicht zulassen
wollte und die Hoffnung, dass ich auf dem Weg ankommen werde.
Etappe 4 A Rua de Valdeorras – Quiroga (30,5 km)
Von A Rua aus ging es eine sehr sehr lange Passage an einer Landstraße entlang den Berg hinauf. Die
Straße war aber zum Glück kaum befahren, was das Laufen dann angenehmer machte. In einem
kleiner Ort gab es dann eine echt liebevolle Verpflegungsstation. Von da ging es dann auch wieder
bergab. Das Wetter war bedeckt, aber weniger Regen, als in den Tagen zuvor. Landschaftlich war es
wieder sehr schön mit Bergen, dem Fluss und dann einigen kleinen, aber schönen Orten mit schönen
alten Häusern. Aber auch die Etappe machte mir gegen Ende echt zu schaffen und ich erinnerte mich
an die Worte eines Portugiesen auf meinem ersten Camino: „It is always more, never less.“
Wenn man denkt, dass man es gleich geschafft hat, weil die offizielle Zahl an Kilometern erreicht ist,
dann kommt noch viel Weg dafür, dass die Etappe geschafft sein sollte. Am Ende der Etappe, als ich
wirklich ko war und merkte ich muss doch noch etwas laufen, kam bei einer Burgruine ein
Schäferhund daher, schaute mich an und lief für ca. 2,5 Kilometer immer vor mir. Das sollte wohl so
sein und seine Anwesenheit zog mich und gab mir neue Kraft. Doch am Abend in Quiroga ging es mir
körperlich und emotional einfach nur bescheiden und ich war froh, als ich eingeschlafen war.
Etappe 5 Quiroga – A Pobra de Bollón (25,5 km)
Am Morgen meiner 5. Etappe erwartete mich die Sonne und schlagartig wurde meine Laune und
auch mein Befinden besser. Es war so ein Gefühl der Freude nun wieder loszulaufen. Und das nach
einem Abend zum Vergessen.
Ich hatte auch meine ursprüngliche Planung den Invierno „schnell“ zu laufen und dann von Santiago
noch nach Finisterre und Muxia zu laufen gestrichen und mir die Etappen des Invierno neu eingeteilt
mit ausgewogeneren Etappen und damit war ich dann für mich zufrieden.
Auf der Etappe nach A Pobra de Bollón waren es einige Steigungen, aber durch die gute Laune und
die frisch gewonnene Energie machten sie mir nichts aus, wie auch nicht die Einsamkeit, die mich
natürlich auch an dem Tag begleitet hat. Für mich war es der Tag, an dem ich auf meinem Camino
angekommen bin und so war es einfach schön.
Sofort fühlte sich alles schöner, entspannter und angenehmer an. Wahrscheinlich auch, weil ich mir
selbst die Fesseln der langen Etappen abgenommen hatte und einfach von da an sagte: ich werde
ankommen, aber kaputt mache ich mich nicht. Die innere Einstellung war sofort eine Andere und auf
dieser Etappe begann ich die Kleinigkeiten des Weges mehr wahrzunehmen. Die Einsamkeit hatte ich
akzeptiert und lief lächelnd durch die Landschaft, machte gemütlich Pausen und ließ mich auf das
ein, was mich erwartete: wunderschöne, einsame Landschaften. In A Pobra de Bollón gönnte ich mir
dann auch erst einmal einen Kaffee, einen Orangesaft und saß in der Sonne, bevor ich mich auf den
Weg zur Herberge machte. Wo dann am Abend zwei polnische Damen eincheckten, mit denen ich
mich ein wenig unterhalten habe und die ab da immer mal wieder für kurze Zeit meinen Weg
kreuzten.
Etappe 6 A Pobra de Bollón – Monforte de Lemos (18,5 km)
Gut gelaunt machte ich mich morgens auf den Weg zu einer recht kurzen Etappe, die landschaftlich
nicht mit den anderen mithalten konnte, aber dafür entspannt war und angenehm. Dafür erwartete
mich dann am Mittag eine traumhaft schöne Stadt (Monforte de Lemos) mit einer schönen Burg,
einer kleinen und feinen Altstadt, die zum Verweilen eingeladen hat.
Und passte zur besser werdenden Stimmung kam am frühen Nachmittag die Sonne raus und ich
konnte bei einem guten Essen die Sonnenstrahlen genießen, bevor ich später meine Unterkunft
beziehen konnte. Ich nutzte die freie Zeit, um mir die Stadt genauer anzuschauen und die
Verpflegung für den kommenden Tag einzukaufen.
Etappe 7 Monforte de Lemos – Chantada (33 km)
Nach einer ruhigen Nacht folgte die Etappe vor der ich wohl den meisten Respekt hatte. Lange
bergauf, dann heftig bergab und wieder bergauf und das Ganze mit über 30 Kilometer.
Aber es war dann doch wieder der Kopf, der einem einen Streich spielt oder eben nicht. Ich durfte
auf den Streich verzichten und hatte eine harte, aber schöne Etappe vor mir. OK, das erste Stück bei
Regen war nun wirklich nicht für einen Schönheitspreis vorgesehen, aber danach wurde es sehr
schön.
Der Weg bergauf war auch nicht zu hart, sondern stetig und nicht zu steil. Und das Schöne, wenn
man oben ist, ist dann natürlich die Aussicht, die man teilweise genießen kann. Und das habe ich und
wieder genügend Pausen gemacht, um wieder zu Kräften zu kommen. Auf dem Weg ist dann auch
ein Aussichtspunkt, der Mirador Cabo do Mundo, bei dem man die Schleife des Flusses Mino sieht.
Leider war es gerade zu dem Zeitpunkt etwas regnerisch, aber die ca. 800 Meter Umweg waren es
wert.
Später ging es dann wirklich recht steil bergab auf alten römischen Steinstraßen und man muss dort
sehr gut aufpassen, dass man nicht ausrutscht. Aber sobald dann der Blick auf das Tal mit dem Fluss
Mino kommt, vergisst man alles aufgrund der Schönheit der Landschaft. Ein absoluter Traum. Unten
angekommen und den Mino über eine Brücke passiert war es Zeit für eine Pause, bevor der Anstieg
nach Chantada kam. Das war dann noch einmal eine Herausforderung, da auch hier alte römische
Steinstraßen den Camino bildeten und das war bei Sonnenschein dann sehr anstrengend, aber schön.
Etappe 8 Chantada – Rodeiro (25,5 km)
Was sollte schon nach dieser Etappen mit dem Profil kommen? Na klar, der höchste Punkt des
Camino Invierno mit 1.153 Metern. Aber ich war ja guter Dinge und da macht einem das nichts aus.
Und so begab ich mich auf den Weg und es störte mich auch nicht, als irgendwann leichter Regen
einsetzte und das Glück war mir auch hold und so gab es im letzten Ort vor dem Anstieg ein Café,
welches auch offen hatte und so konnte ich dort die knappe Stunde bei mehr Regen verbringen und
bin dann erst los.
Landschaftlich war die Steigung nicht so schön und der höchste Punkt ist dann gepflastert mit
Windrädern, die bei leichtem Regen unter dem Poncho das Geräusch von Flugzeugen auf einer
Startbahn vermittelten. Aber hey, ich war immer noch gut gelaunt und lief freudig den Berg herab.
Später kamen dann auch Passagen, die einen wieder erfreuten und in Rodeiro erwartete mich dann
wieder Sonnenschein, so dass meine Laune natürlich gut war und ich am Nachmittag auf einer
Terrasse das Leben auf dem Camino genießen konnte.
Etappe 9 Rodeiro – Lalin (26 km)
Was macht man, wenn man die herausfordernden Passagen hinter sich hat? Na klar, man freut sich
auf die kommenden Etappen Richtung Santiago de Compostela. Und so habe ich es dann ab Rodeiro
gemacht. Ich habe Pausen gemacht, das Laufen genossen und der Blick auf die Natur hat mich
strahlen lassen.
Mein Weg war seit einigen Tagen wirklich „mein“ Weg und die Einsamkeit, die fast ständig mein
Begleiter war, machte mir überhaupt nichts mehr aus, sondern ließ meine Gedanken kreisen und
jegliche körperlichen Beschwerden waren Vergangenheit.
Und so habe ich den Weg genießen können und ergötzte mich an der Landschaft. Am Ende der
Etappe kam ich dann in Lalin an und es war fast ein Kulturschock
In Lalin war an dem Tag ein Fest und viele Menschen waren auf der Straße, es spielte eine Band, ein
Jahrmarkt fand statt und die Ruhe der letzten Tage war abrupt Vergangenheit. Aber auch das konnte
ich nun annehmen und machte es mir auf einem Platz gemütlich, trank Estrella Galicia und erfreute
mich an Live-Musik. Aber nicht nur das Fest war sehr schön, sondern auch die Stadt hatte wirklich
was sehr Schönes.
Kleiner Tipp für alle, die in Lalin Halt machen oder Lalin passieren: Es gibt den „Punto de Informacion
Al Peregrino“, wo ein freundlicher Herr tolle Stempel in die Pilgerpässe verteilt und mit ihm kann
man sich auch gut unterhalten.
Etappe 10 Lalin – Silleda (15 km)
Was für eine entspannte Etappe und dazu noch gutes Wetter, angenehme Landschaften, schöne
Brücken und viel Ruhe. 15 Kilometer sind bei einem Camino wirklich angenehm zu laufen, vor allem,
wenn es nicht so bergig ist. Und genau eine solche Etappe war es von Lalin nach Silleda und so hatte
ich bei der Ankunft in Silleda viel Zeit für Cafés, Wäsche waschen und ein gemütliches Abendessen.
Auf diesem Abschnitt mochte ich besonders die Brücken, die auf dem Weg lagen.
Etappe 11 Silleda – Lestedo (29,5 km)
Auch wenn es nach einer sehr langen Etappe klingt, so war diese Etappe angenehm zu laufen. Man
kommt durch einige Wälder und ich hatte bewusst Lestedo als Ziel gewählt, weil ich mir eine
besondere Unterkunft am Abend vor Santiago gönnen wollte. Zudem war es dann auch noch etwas
näher an Santiago.
Von Silleda geht es die meiste Zeit leicht bergab, man durchquert Wälder und Felder, geht aber auch
mal an einer Straße. Vieles so, wie man es von Galizien kennt, wenn man schon andere Jakobswege
gelaufen ist. Aber auch hier, wie bei den meisten Etappen auf dem Invierno sollte man sich mit
genügend Proviant eindecken, da Supermärkte oder Cafés auf dem Weg eher Mangelware sind. Der
Invierno ist mit ca. 2000 Pilgern pro Jahr eher wenig belaufen. Dementsprechend ist die Infrastruktur
nicht, wie auf anderen Wegen. Das sollte man vorher bedenken und wie man meinem Bericht
entnehmen kann, kann es auch passieren, dass man sehr alleine unterwegs ist. Dies schmälert aber
nicht die Schönheit, die dieser Weg bietet.
Auf jeden Fall haben die knapp 30 Kilometer zwischen Silleda und Lestedo auch all das beinhaltet,
was ich immer wieder fasziniert, wenn man die letzten Kilometer gen Santiago läuft.
Eukalyptuswälder, Felder, Waldwege, kleine Bäche und immer wieder Abwechslung. Und am Ende
des Tages durfte ich einer wirklich sehr schönen Unterkunft übernachten mit einem sehr guten
Abendessen.
Etappe 12 Lestedo – Santiago (14,5 km)
Endspurt nach Santiago. Die Vorfreude hat wohl meine Nacht unterbrochen und so bin ich noch im
Dunklen los, die letzten Kilometer nach Santiago bestreiten. Auf dem Weg traf ich auch noch einmal
die beiden Damen aus Polen und wir gingen einige Kilometer gemeinsam. Ein paar Kilometer vor
Santiago war der Himmel immer noch wolkenverhangen und man hätte meinen können, dass das
Ziel dann verregnet ist. Aber je näher ich Santiago kam, desto mehr klarte es auf und in Santiago an
der Kathedrale überkamen mich erneut sämtliche Emotionen, die man so haben kann. Was auch
immer das ist, es ist einmalig für mich und gekoppelt mit diesem Ort.
Ich genoss es auf dem Platz zu sitzen, die ankommenden Pilger zu beobachten und hier und da einen
Smalltalk zu halten. Irgendwann holte ich völlig entspannt meine Compostela und setzte mich wieder
auf den Platz. Es ist Freude pur all die Menschen dort ankommen zu sehen und in ihren Gesichtern zu
lesen.
Am Tag nach meiner Ankunft hatte ich dann den Besuch des Gottesdienstes geplant und so machte
ich es auch und hatte das Vergnügen, dass ich den Botafumeiro sehen durfte und erleben konnte wie
der Duft dann die Kathedrale einnimmt.
Nach zwei Tagen in Santiago fuhr ich dann noch mit dem Bus nach Muxia und wanderte von dort erst
nach Lires und dann nach Finisterre.
FAZIT
Und wieder stellte ich fest: Es wird nicht der letzte Camino gewesen sein, auch wenn der Invierno
mich durch die gewählten Etappen, die Einsamkeit und den Mangel an Verpflegungsstationen
wirklich Kraft gekostet hat. Die Landschaft ist ein Traum.
Olaf Werheim, 2023