Vor 10 Wochen endete meine Reise in Fisterra…ich war am „Ende der Welt“ und somit auch am Ziel meines Caminos angekommen…900 km…zu Fuss…der Weg wuchs förmlich unter meinen Füßen.
Zu Beginn dieses Abenteuers bin ich alleine aufgebrochen, einem inneren Ruf folgend, hoffnungsvoll, neugierig, bereit.
Ich hatte keine Ahnung, was passieren und welche Lektionen, Erfahrungen und Erlebnisse der Weg mir letztlich offenbaren würde.
Doch über eines war ich mir absolut sicher, JETZT ist genau die richtige Zeit, um mich wiederholt auf den Weg zu machen.
Bereits vor 10 Jahren begab ich mich voller Sehnsucht zum ersten Mal auf den Jakobsweg…mein Wunsch…irgendwo anzukommen…fehlte mir doch in meinem Leben die Richtung. Dieses Mal, der Wunsch nach Vollendung…und ankommen bei mir.
So vieles ist noch so lebendig in mir, dass ich es kaum in Worte fassen und wahrhaftig beschreiben kann. Fühlte mich, wieder Zuhause, unglaublich dankbar, tief berührt, erfüllt und gleichzeitig vollkommen verloren.
Es war mir nicht möglich, einen meiner typischen Reiseberichte zu verfassen, so sehr ich mir auch wünschte, alles erlebte schriftlich festzuhalten.
Doch rasch durfte ich spüren, wie tief dieser Weg in mir verankert ist und dass ich diese besondere Zeit für immer bei mir trage und jederzeit in mir wiederholen und lebendig werden lassen kann.
Banale Kleinigkeiten im Alltag, wie der Genuss eines Croissants, das Erklingen eines Liedes oder der Blick ins Fotoalbum wecken sofort Erinnerungen an all die kleinen und großen Momente und sortiert sich die jeweilige Situation farbenfroh wie im Kaleidoskop bis ins winzigste Detail zusammen, welche mir abwechselnd ein Lächeln oder stille Tränen ins Gesicht zaubern.
„Dieser Weg ist hart & wundervoll. Er ist Herausforderung und eine Einladung. Er macht dich kaputt und leer. Und er baut dich wieder auf. Er nimmt dir alle Kraft und gibt sie dir dreifach wieder zurück.“ so beschrieb Hape Kerkeling sein Empfinden nachdem er auf dem Jakobsweg unterwegs war und ich kann seine Worte sehr gut nachempfinden.
Während ich damals sehr mit den Anstrengungen des Weges kämpfte, so erschien mir der Weg jüngst oftmals wie ein luftig-leichter und wundervoller Spaziergang. Dagegen wurde mir jedoch schmerzhaft bewusst, wie sehr ich auf dem Weg – und nicht zuletzt in meinem Leben, mit mir selbst kämpfe.
So forderte der Weg mich auf, mich dieser meiner Härte zu stellen – er lud mich ein, nachsichtiger mit mir selbst zu sein.
Zugegeben, dies kostete mich in manchen Augenblicken all meine Kraft und war es immer wieder ein Ringen mit mir selbst, mich in meiner Verletzlichkeit und Zartheit zu zeigen und mir selbst sanft und liebevoller zu begegnen.
Rückblickend sind dies jedoch gerade meine wichtigsten und bedeutendsten Momente.
Dennoch habe ich vermutlich noch nicht einmal eine Ahnung, wie sehr mich diese Reise tatsächlich verändert hat und innerlich wachen und reifen lies.
Doch durfte ich erkennen, dass es nicht darum geht, etwas neues zu finden, sondern vielmehr altes loszulassen. Übernommene Glaubenssätze, die nicht die meinen sind, alte Verletzungen, gedankliche Beschränkungen, nagende Zweifel, tiefsitzende Ängste und nicht zuletzt die Schutzmauern, die ich in den vergangenen Jahren aus Vorsicht um mich errichtet hatte.
Der Weg hielt wieder so viel mehr für mich bereit und lehrte mich wertvolles…so fand ich wundervolle Weggefährten und Zenmeister, lernte für meine Bedürfnisse einzustehen..mein Herz zu öffnen, immer wieder…mich zu verschenken…bedingungslos und jeden Tag aufs neue über die Fülle des Lebens zu staunen und den Reichtum meines Daseins zu schätzen.
Mir wurde bewusst, dass der Camino letztlich Sinnbild für unser aller Leben ist und unsere Aufgabe darin besteht, präsent und wach nach all den Wegweisern Ausschau zu halten und dem Fluss des Lebens zu vertrauen, indem wir uns hingeben, in der tiefen Gewissheit, dass wir getragen sind…immer…zu jeder Zeit.
Und das letztlich wir selbst entscheiden, ob wir unsere Wünsche leben oder nur davon träumen!