Ein ehrlicher Camino Frances

Im Oktober 2022 ist Sabrina David den Camino Frances gelaufen und hat Tag für Tag ihre Erlebnisse, Gefühle und Fotos in unserer Facebook-Gruppe mitgeteilt. Diese Berichte von Sabrina wurden von Tausenden Pilgern gelesen, und sehr viele haben sich von ihr inspirieren lassen.

Sabrinas Weg schwankte zwischen Tränen und Tanz, und ihr Bericht ist lang (genau genommen der längste auf unserer ganzen Seite), und doch ist er besonders lesenswert, denn er nimmt den Leser mit auf die emotionale Reise von den Pyrenäen bis nach Santiago.

Lass dir beim Lesen also Zeit, nimm dir zwei Tassen Tee und genieße es, Sabrina beim Pilgern über die Schulter lesen zu dürfen.

Los geht’s:


Inhalte

 
Etappe 01

SJPDP – Roncesvalles 24,5 km

Gestern hatte ich noch etwas Sorge um den Weg, schaff ich das? Ist das zu hoch, zu weit, zu irgendwas? Wohl auch etwas, was ich auf dem Weg ablegen möchte, mich zu unterschätzen.

Der Weg heute geht nicht in Worte zu fassen, er hat mit all seiner Schönheit diesen Tag unvergesslich gemacht.

Aus SJPDP ging ich 7.05 Uhr mit einigen weiteren Pilgern raus aus der Stadt und es ging gleich recht steil und gleichmäßig nach oben. Aber der herrliche Sonnenaufgang und die gemeinsame Stille, die alle Pilger einhielten war verzaubernd.

Die ersten 1,5 h vergingen wie im Flug trotz Anstrengung und schwitziger Haut fühlte ich mich komplett glücklich.

Der erste Anstieg war hart, so hart, dass ich meine Tafel Schokolade schon vor der ersten Pause herausholte. Ich blieb einfach stehen, kramte die gute Lindt salzige Caramel heraus und aß 1/3 in einem Zug auf. Das tat mir gut. Danach kam die Kraft zurück und es ging weiter.

Ich dachte über so Vieles nach, über Menschen, die einst in meinem Leben waren, von denen ich aber Abstand genommen habe. War jede Entscheidung immer richtig? Ich lass die Gedanken einfach kommen und weiß, dass sie ihren Grund haben. Der Weg ist so beeindruckend und märchenhaft. Meine Augen sehen so weit. Diese Welt ist wunderschön und ich erlaube mir hier ein wunderbares Geschenk.

Die Schafe und Pferde auf den Pyrenäen laufen einfach so frei herum. Friedlich und beruhigend wirken sie auf mich. Ich sauge jeden Moment auf, jede Sekunde. Ich versuche alles in meinem Herzen, so wie in meinem Rucksack zu verstauen und hoffe, dass ich später zu Hause noch lange von diesen Eindrücken und Momenten zehren kann. Ich bin so stolz auf mich. Ich bin seit über zwei Wochen unterwegs und von Frankreich nach Spanien gegangen.

Die Herberge hier ist riesig. 180 Betten glaub ich… gegessen haben wir alle im Restaurant nebenan, von der Kirche organisiert. Anschließend waren wir noch bei der Messe, die mich sehr berührt hat. Philipp, Christine und Marie Claire waren auch da. Die drei sind so süß.

Morgen geht es für mich weiter und es heißt nicht mehr Bon Chemin sondern Buen Camino.

Etappe 02

Roncevalles – Zubiri, 22 km

Aus der Herberge heute sind gefühlt alle 183 Pilger um 7.30 Uhr nach dem Frühstück in Richtung Zubiri aufgebrochen. Eine Schar Menschen aus aller Welt, jung und alt gemischt. Es war ein neues aber schönes Gefühl des Pilgerns, allerdings frisch bei um die 9 Grad Celsius. Ich gehöre jetzt einer Masse an!

Nach 7-8 km löste sich die Ansammlung dann langsam auf. Die Ersten machten einen Stopp und einige zogen in eiligen Schritten an mir vorbei. Irgendwann war ich sogar auch allein unterwegs.

Die ersten Kilometer durch kleine spanische Dörfer. Die erste Bar mit Tappas, natürlich bestellte ich mir um kurz nach 10 Uhr die erste kleine spanische Köstlichkeit. An die Variante Muscheln und Pulpo traute ich mich morgens 10 Uhr aber noch nicht heran. Es war ein mir bekanntes Tomate Minimozarella mit Pesto. Ich aß später auch noch die leckerste Melone aller Zeiten.

Der Weg heute hatte es nicht leicht mit mir…in Gedanken schwärmte ich noch von gestern und diese wunderbare Erfahrung hält heute noch nach.

In Zubiri angekommen gab es einen herrlich idyllisch gelegenen Fluss. Gemeinsam mit anderen Pilgern sitzt man hier, kühlt die Füße und entspannt in den warmen Sonnenstrahlen.

Unsere Alberge hat zwei Zimmer mit je 4 Etagenbetten. Zum Essen gehen Lin und ich heute ins Restaurant.

Ich habe heute an nicht viel gedacht…ich bin nur gegangen…habe Pausen gemacht…hab mir an jedem Punkt wo ich konnte ein Getränk gegönnt und bin weiter durch die felsige Landschaft gepilgert. Ich denke an meine Liebsten zu Hause und fühle mich gut bei dem Gedanken, dass sie auf mich warten und hier meinen Weg verfolgen.

Darüber nachdenken, dass ich noch 5 Wochen unterwegs sein werde, möchte ich nicht. Ich lebe von Tag zu Tag und habe ein festes Ziel im Kopf.

Etappe 03

Zubiri – Pamplona-Zizur Mayor, 26 km

Heute morgen vor 7 Uhr, brach ich auf. Nach 3 Minuten kam ich an eine Brücke die aus Zubiri heraus führte. Keine Laterne in Sicht und der Weg war steinig. Ich hörte hinter mir schon die Trekkingstöcke der anderen Pilger klappern und fand es sehr praktisch, dass ein Weggefährte eine Taschenlampe dabei hatte, um uns so die nächsten 15 Minuten den Weg etwas sichtbarer zu machen.

Dadurch ist eine nette Unterhaltung mit einem Australier entstanden, der aber ursprünglich vor über 40 Jahren aus Österreich wegging und super deutsch sprach.

Die nächsten km hatte ich gute Unterhaltung und auch meiner Geschichte wurde gespannt zugehört.

Nach einiger Zeit entschied ich mich, meinen Schritt etwas schneller werden zu lassen um ein bisschen für mich zu sein und dies ist etwas vollkommen Normales auf dem Weg. Wenn man genug geredet hat, wünscht man sich ein freundliches Buen Camino und zieht weiter. Jeder handhabt es so und akzeptiert dieses Bedürfnis.

Nach ca. 9 km, es war 9 Uhr, hörte ich schon die spanische Musik der ersten Bar. Lin sass mit Bill, einem Amerikaner, bereits dort. Die Tortilla, die ich mir dort bestellte, war der Hammer. Spinat, Käse, Kartoffel sooo lecker, die werde ich sicher in Deutschland mal nachkochen.

Der Tag verging wieder wie im Flug und schon bald war ich in Pamplona. Pamplona hat mir mit seinem Charme und dem spanischen Temperament sehr gut gefallen. Ich habe die große Kathedrale angeschaut und war wirklich beeindruckt.

Ich setzte mich gemütlich vor eine moderne Bar, genoss ein leckeres Toast mit Ziegenkäse und ein gemischtes Bier.

Schon bald traf ich Lin, wir waren verabredet mit Philipp, Marie Claire und der lieben Christin. Wir tranken noch ein letztes Getränk miteinander und drückten uns sehr herzlich beim Abschied. Für die drei geht es morgen heim. Lin und ich gehen noch 5 km weiter und übernachten in einem Airbnb. Eine nette Spanierin vermietet ein Zimmer ihrer süß eingerichteten Wohnung.

Gleich spazieren Lin und ich nochmal in den Ort und suchen uns etwas leckeres zu Essen.

Gestern Abend saßen wir super nett mit ein paar deutschen Pilgern zusammen. Ich bin gespannt wie oft man sich noch wiedersieht.

Etappe 04

Pamplona-Zizur Mayor – Puente la Reina, 20,5 km

Der Tag heute begann wie immer im Dunkeln, das Schöne daran, man bekommt einen ganz wunderschönen Sonnenaufgang zu sehen.

Es ging heute nochmal ein paar Meter in die Höhe zu den Windrädern und den Pilgerfiguren auf dem Puerte del Perdón. Dieser Abschnitt war wunder-wunderschön, ich konnte garnicht aufhören Fotos zu machen.

Es ging einige km über Schotter bergab. Ich traf unterwegs noch einen kleinen Vogel der sich immer näher an mich heran traute. Scheinbar wollte er mir irgendwas erzählen.

Heute habe ich zum ersten Mal Mandelbäume gesehen.

In einer auf dem Weg liegenden Bar trank ich zur Stärkung einen Kakao. Auch das leckere Restessen von gestern stärkte mich unterwegs. Irgendwie find ich es super gemütlich mit ein wenig Proviant am Weg zu sitzen und die vorbeiziehenden anderen Pilger zu beobachten. Manch einer vollkommen vertieft, der andere eilig, wiederum andere beim unterhalten.

Leider hatte ich seit heute morgen ein wenig Schmerzen im linken Schienbein. Daher tat die Pause ganz gut.

Ich bin heute nur mit wenigen Pilgern ins Gespräch gekommen. Ich wollte mich auf mich konzentrieren und die bekannten Gesichter traf ich auch erst später im Ziel wieder.

Heute bleiben Lin und ich in Puente la Reina, wir haben die kirchliche Herberge ausgewählt, mehrere Räume mit Etagenbetten, die Nacht kostet 7 Euro. Als ich ankam war der Schmerz im Schienbein leider garnicht so wenig, daher legte ich erstmal die Füße hoch und schlief tatsächlich für 20 Minuten ein. Es frustriert mich schon etwas, dass jetzt doch son doofer Schmerz kommt, wo ich doch seit drei Wochen keine Blasen und nix hatte.

Nach meinem Powernapping ging es mir mental etwas besser. Nun konnte ich mich nochmal auf den Weg zu einer Apotheke machen. Eisspray, Ibu und Voltaren helfen hoffentlich. Außerdem hab ich mich an den herrlichen Fluss gesetzt und konnte so wunderbar mein Schienbein kühlen. Ich hoffe nun wirklich sehr, dass sich das legt.

Die Nacht wird es zeigen.

Etappe 05

Puente la Reina – Estella, 21,5 km

Die Nacht war recht ruhig und ich habe heute bis 6.30 Uhr schlafen können. Der erste Gedanke war beim Schienbein, welches sich recht unauffällig anfühlte. Erleichtert zog ich mich an und machte mich 7.30 Uhr auf den Weg raus aus der Stadt.

Der Weg heute ging durch ein paar waldige Abschnitte bergauf über Schotter und rotsandige Wege. Eine Art Kiefernholz schmückte die Landschaft, gemeinschaftlich mit gelben Blumen. Bald folgten geerntete Felder. Der weite Blick in die Ferne war heute wieder atemberaubend schön.

Meine Erleichterung sollte anhalten. Mein Schienbein hielt durch.

Ich ließ kaum eine Möglichkeit zum Pause machen aus und war voller glücklicher Gedanken. So ein Extrem zu gestern. Ich stelle immer wieder fest, dass mich unvorhersehbare Schmerzen schnell verunsichern. Zu Musik von Udo Lindenberg „Mein Body und ich“, schloss ich einen Pakt mit meinem Body. Er hält jetzt durch und ich lass ihn ab November ausruhen.

Er hat gesagt:“Das geht klar!“ und so sind mein Body und ich Kumpanen. Schon immer eigentlich, aber manchmal muss ich ihn erinnern!

Ich höre weiter Musik und genieße den Weg, jeden Schritt und jeden Gedanken der mir kommt. Bald darauf treff ich Andrea. Sie sieht erfreut darüber aus und wir gehen ein ganzes Stück zusammen. Sofort sind wir in Gesprächen, die tief gehen. Wir haben abwechselnd sehr emotionale Momente fühlen uns gegenseitig verstanden. Das fühlt sich echt gut an.

Vollkommen unerschöpft und fröhlich komm ich in Estella an, wo Lin mir schon ein Bett gesichert hat. Die Herberge ist groß und recht modern. Bei der Atmosphäre hier kommt schnell der Gedanke auf, dass wir alle Teil einer tollen Gesellschaft sind.

Wir haben uns alle mal kurz abgeseilt vom echten Leben und irgendwie verspüre ich hier nur positive Energie.

Ich bin heut so fit, dass ich nochmal in die Stadt schlendere. Meine Seife ist alle. Ich finde wieder einen Fluss. Diesmal geh ich nicht rein aber ich genieße den Anblick. Im Supermarkt kauf ich mir etwas Proviant für morgen. Nun setz ich mich in den Garten und ruh mich aus. Nachher gehen Lin und ich nochmal in eine Chocolaterie.

Etappe 06

Estella – Torres del Rio, 28,5 km

Heute morgen hatte ich nicht so richtig Lust! Ich wollte einfach mal ausschlafen und die heutigen 28km schreckten mich etwas ab. Ich wollte mein Schienbein nicht wieder ärgern und lieber vorsichtig sein.

Die Nacht war laut, ich war 3-4 x wach und noch vor 6 Uhr meinte der erste Pilger, er müsste minutenlang seine Plastiktüten sortieren und rascheln was das Zeug hielt. Ich stellte mich stur an und blieb bis 6.30 Uhr liegen.

Alles weitere geschah in Zeitlupe, da ich ja nicht sooo motiviert heute war. Ich lies mir die Option gestern Abend offen nur 20 km zu gehen. Aber als Lin mir dann sagte, man kann bei booking com buchen und sein Bett sicher sein, buchte ich mit dem Bett auch die 28 km. Was soll’s, ob ich die nun heute geh, oder morgen!

Trotzdem hatte ich noch im Hinterkopf, zur Not endest du bei 20 km. Erstmal losgehen war heute morgen das Ziel. So ging ich wie immer noch im Dunkeln aus der Stadt.

Der Weg hatte heute wieder einige Höhenmeter zu überwinden. Es gab auch eine flachere Variante, die hab ich aber nicht gesehen und das war auch gut so. Die Strecke war wieder so wunderschön und abwechslungsreich. Ich ging durch Waldabschnitte, über viele Felder, durch kleine Dörfchen mit Möglichkeiten zum Stärken.

Nach 20 km kam ich dann in dem Ort an, der meine Option wäre früher aufzuhören für diese Etappe. Mir war gleich klar… Neee geht noch…auf gehts die 7-8 km gehen schon.

Dann stand da Andrea und ich war ganz happy. Wir gingen ein Stück zusammen und saßen dann auch schon wieder im nächsten Café. Tranken ein Bier und aßen Schokolade.

Die Kirche haben wir dann auch noch zusammen angeschaut und die nächsten 7 km verflogen quatschend wie nix. Sie hatte ihre Unterkunft 800 m vor meiner und es war am Ende tatsächlich schade, dass die 28 km schon rum waren.

In meiner Unterkunft angekommen, hab ich mal wieder alles in einer echten Waschmaschine gewaschen. Das ist zwischendurch mal ganz nett. Morgen hab ich nur 21 km vor mir.

Jeder Tag ist neu und anders. Es ist schon ganz schön verrückt, dass ich hier jeden Tag wieder los gehe und dass es sich am Ende des Tages immer wieder total richtig anfühlt!

Etappe 07

Torres del Rio – Logroño, 21 km

Nachdem wir gestern Abend in der Kapelle noch ein spanisches kleines Konzert geboten bekommen haben, konnte ich wirklich gut schlafen. Kurz vor 6 Uhr war die Nacht allerdings schon wieder vorbei. Die Ersten marschierten los. Ich war ganz erschrocken, als ich 6.30 Uhr aufwachte und sah, dass außer einem älteren Herrn und mir alle aufgebrochen sind. Wo wollen sie nur alle hin bei der Dunkelheit dachte ich mir?

Nunja, schnell packte ich alles zusammen und zog mir noch einen Cappuccino aus dem Automaten der Herberge. Als ich draußen im stockdunkeln zur Uhr sah, zeigte sie 7.05 Uhr … nach ein paar Metern musste ich feststellen, dass ich ohne meine Stirnlampe keinen Weg fand und so kramte ich wieder im Rucksack herum um mich mit meiner Stirnlampe zu bewaffnen.

Da kamen auch schon die nächsten, Angelo der später noch eine Rolle spielte fragte, ob ich Hilfe brauchte. Später gingen wir noch ein paar km zusammen und machten die ersten Fotos vom Sonnenaufgang.

Der Weg heute war anfangs sehr schön führte später aber auch durch viel Industriegelände.

Logroño konnte man schon 10 km bevor man es erreichte zum ersten Mal sehen. Eine riesige Stadt. Nach 21 km kam ich dann im Ort an und traf Angelo in der zweiten Herberge wieder!

„ Bleib doch hier wir kochen zusammen, sagte er beim Wiedersehen.“ Ich zog aber erstmal weiter.

Mit Lin und Felix trank ich dann ein Getränk in einer Bar und als der Felix dann erzählte, dass er zum Angelo geht um mit dem zu kochen, sagte mein Bauch … „ hey, das klingt nett, da geh ich jetzt mit.“ Eh ich mich versah, gingen wir zu viert mit dem 71 jährigen Ken aus Irland einkaufen und kochten dann zusammen in der Herberge. Am Ende saßen 7-8 Leute am Tisch. Auch der Carrell aus Holland und der Ed aus Großbritannien. Ich weiß ehrlich gesagt garnicht mehr alle Namen. Es war auf jeden Fall super lustig und ein richtig toller Abend. Die Andrea kam auch noch kurz zum umarmen, ging dann aber weiter.

Es ist einfach unbeschreiblich wie unkompliziert und leicht sich hier alles anfühlt. Morgen ist ne lange Etappe. 29 km. Entweder 13 oder 29 … ich werde sehen wie lang die Füße wollen.

Etappe 08

Logroño – Nàjera, 29,5 km

Heute startete der Tag wieder vor 7 Uhr am Morgen. Es ging erstmal quer durch die dunkle Stadt. Auf der anderen Straßenseite leuchtete ein Café und ich witterte Croissants und Café. Bevor nix mehr kommt, lieber bevorraten. Wer steht vor mir und bestellt vollkommen entspannt ein Frühstück? Andrea. Och da mach ich mit und so frühstücken wir erstmal eine halbe Stunde.

Dass wir anschließend den ganzen Tag zusammen verbringen haben wir beide nicht geahnt. Wir haben gequatscht und bequatscht.

Ich hab heute wenig Fotos gemacht und auch gedacht, vielleicht mach ich nur ne halbe Etappe, denn meinen Fuß merkte ich direkt am Morgen schon.

Dann kam die erste Pause nach ca 18 km. Da hab ich einen super leckeren Salat gegessen und mal eine Ibu genommen. Mein Eisspray kam auch zum Einsatz. Irgendwie wollte ich nicht, dass nach 20 km Schluss ist.

Wir begegneten unterwegs auf den Weinfeldern einer Gruppe Erntehelfer. Der Mann war sooo lieb und freundlich, dass er uns direkt 2 riesige Trauben Wein in die Hand drückte und wir noch Fotos machten.

An einer Kirche machten wir die nächste Rast und tranken Cappuccino aus dem Automaten. Es war einfach herrlich! Der Weg trug uns. Wir aßen Brombeeren, Feigen, geschenkte Trauben und Fenchelsaat vom Weg und unsere Gespräche waren teilweise so lustig, dass wir nicht merkten, dass uns schon andere Pilger belauschten und schmunzeln mussten. Zu schön!

Erst 17 Uhr kamen wir ganz schön erledigt im Zielort an. Die erste Alberbe roch so stickig und war so beengt, dass wir rückwärts wieder raus sind. Zur Not gehts ins Hotel war der Plan und dann kam die Alberge Puerte de Nàjera. G

lück gehabt, noch zwei Betten frei. So wunderschön und liebevoll eingerichtet war diese Alberge, so liebevoll geführt, dass tat heut wirklich gut.

Wir kauften im Supermarktes noch ein und machten es uns zum Abendessen gemütlich mit Baguette, Käse, Wein und Oliven waren wir zufrieden.

Der Tag war ganz wunderbar.

Etappe 09

Nàjera – Santo Domingo de la Calzada, 22 km

Ich hab ganz wunderbar geschlafen und bin heut morgen gemeinsam mit Andrea gestartet.

Wir hatten nach kurzer Zeit ausgemacht, ein Stück jeder für sich zu gehen aber heute Abend im Ort wieder zusammen zu kommen. Lin macht heut eine längere Etappe, daher seh ich sie wohl erst morgen wieder. D

er Wind wehte heut ganz schön stark, was manchmal auch für ein ganz neues, motivierendes Gehgefühl sorgte. Mit der passenden Musik stellte ich mich in den Wind und setzte ungefähr 6 Stunden lang einen Fuß vor den anderen.

Cafés und Bars gab es nicht allzu viele auf dem heutigen Weg, daher setzte ich mich zwischendurch an den Rand und aß einfach meine Vorräte aus dem Rucksack. Der Fuß machte keine Sorgen und auch sonst muss ich sagen fühlte sich alles sehr passend an.

Ich traf Alberta und trank einen Kaffee mit ihr und auch Felix hab ich kurz wiedergesehen, er humpelte etwas.

Der Weg heute war wieder sehr hübsch, landschaftlich und führte durch unglaublich viele Weinfelder. Ich naschte von den Feigen auf dem Weg, Brombeeren und etwas Fenchelsaat. In Santo Domingo angekommen fand ich recht schnell eine schöne Herberge, groß aber sauber.

Der Ed ist auch mit im Zimmer und Andrea kam kurz nach mir. Wir tanzten im Zimmer zu Helene Fischer… das war wirklich sehr lustig. Später gingen Andrea und ich noch die Kathedrale anschauen. Dabei begegneten uns Heidi und Petra wieder. Die ersehnte Tapasbar hatte geschlossen…dafür gaben wir uns mit Küchlein und Pralinen zufrieden. Die Tapas müssen bis heute Abend warten, hier machen die meisten Restaurants erst gegen 19 Uhr wieder auf.

Ich freu mich, der Körper hat sich an alles gewöhnt, ich kenn viele Leute auf dem Weg, das Wetter meint es sooo gut mit uns, es kann kaum besser sein.

Etappe 10

Santo Domingo de la Calzada – Bolerado, 25 km

Gestern Abend hatte ich noch Glück und hab eine super leckere Paella gegessen. Heut morgen ging’s dann noch vor 7 Uhr mit Stirnlampe weiter.

Links von mir wunderbares weites Feld. Rechts leider lange Zeit eine dicht befahrene Straße. Die Landschaft veränderte sich und die Weinberge wechselten zu abgeernteten Weizenfeldern.

Heute war der Weg reich abgedeckt mit Bars und Cafés, so dass ich zunächst mit Andrea und später allein an jeder anhielt um einem Café zu trinken oder auch einen frisch gepressten O- Saft und ein Croissant zu essen.

Die Hälfte des Weges ging ich allein und hörte meine Playlist.

Eigentlich sollte heute das Etappenziel Tosantos sein aber es kam anders. Ich traf Gerd, der erzählte mir von einer tollen Herberge mit Pool und Frühstück. Spontan entschied ich, dass dies heut der bessere Ort für mich ist. Andrea schloss sich mir an und so trafen wir auch Angelo, Felix, Petra und Heidi wieder. Heute Abend werden wir alle zusammen essen.

Für den Pool war es mir dann doch etwas kalt. Die morgendlichen Temperaturen sind langsam zunehmend eine kleine Herausforderung für mich, trotzdem gehe ich noch in kurzer Hose.

Ich genieße die frische Luft und je höher die Sonne steigt wird es angenehm warm. In der Sonne kann ich sogar im Top sitzen. Ab morgen soll sich das dann mal für ein-zwei Tage ändern. Ich bin bereit… der Regen kann kommen!

Ich freu mich jeden Tag, dass es weitergeht.

Die grosse Halbzeit Burgos ist schon ganz nah und heut hab ich mir dort zur Belohnung ein nettes Hotel nur für mich allein gebucht.

Mal relaxen, ausruhen, ausschlafen, laaaaange frühstücken und wieder ins Bett gehen! Aber das dauert noch zwei Tage.

Etappe 11

Bolerado – Ages, 29 km

Es geht einfach nicht anders. Alle waren wieder vor 6 wach und tja, dann ist man auch schon wieder auf dem Weg. Heute morgen machte mir die Kälte wenig aus.

Zunächst ging es über Kieswege an Sonnenblumenfeldern vorbei. Die ersten Bars hatten geschlossen, umso mehr freuten Andrea und ich uns über die dritte Bar, dort gabs dann Tortilla, Croissant, Café und frischen O-Saft…das volle Programm.

Nach der Bar ging jeder seinen Weg für sich. Die Musik trug mich heut durch den ganzen Tag. Meine Gedanken kreisten um vergangene Zeiten, um das was noch kommt, um die letzten fünf- sechs Jahre in denen ich einen unglaublichen Wandel durchgemacht habe. Ein Wandel um den ich sehr froh bin. Der Weg ist für mich kein Weg um mich selbst zu finden, er ist ein Weg, weil ich mich selbst gefunden habe! Mit dem Weg möchte ich alte Dinge entgültig loslassen. Frieden schließen mit dem, was sich nicht mehr ändern lässt, loslassen von Dingen, die lange Zeit schwer gewogen haben, um die ich heute aber dankbar bin, sie erlebt zu haben. Alles! Alles war sinnvoll, ich wäre nicht das oder die, die ich heute bin. Ich hatte heut viele gute Momente.

Der Weg war wunderschön und führte lange Zeit durch Wald, es roch nach Tanne und die Luft war herrlich klar. Tausende kleine Tannenzapfen schmückten den Boden. Wie in einem Märchen, stand plötzlich ein Pferd im Wald vor mir. Ich hab etwas Angst vor Pferden (leider). Es war so hübsch und elegant, so friedlich und schaffte für mich eine unvergessliche Atmosphäre.

Ich allein im Wald mit diesem traumhaft, elegantem Tier, ein besonderer Moment. Nichtmal der Regen den ich eigentlich schon viel eher erwartet hatte konnte mich stören. Ich wünschte ich könnte nur Ansatzweise rüberbringen, welche Emotion hier in diesem Camino steckt.

Jeden Tag treff ich etliche Gesichter die mir schon etliche Male zugelächelt haben. Jeden Tag sehe ich in strahlende Augen.

Fast jeder, den ich hier Frage, was sein Ziel ist, antwortet mit Santiago de Compostella…

Wir haben alle das selbe Ziel…wir gehen alle jeden Tag die selben Schritte, auf dem selben Weg, wir schauen alle in die selbe Richtung und haben dieses unglaubliche Gemeinschaftsgefühl.

Etappe 12

Ages – Burgos, 23 km

Ich ging heute allein los, da ein paar meiner Mitpilger aufgrund von Fussschmerzen mit dem Taxi fuhren. Es war bekannt, dass die Strecke heute zwar kurz, aber nicht so schön sein sollte. Trotzdem wollte ich nichts auslassen und auch solche Abschnitte nicht verpassen.

Unterwegs leuchtete bald das erste Café. Dort waren schon einige andere Pilger und wärmten sich auf. Heute Morgen war es um die 7 Grad kalt. Der Weg ging stetig aufwärts und führte über viele breitere Kieswege zu einem Gipfelkreuz. Ich war in dem Moment wo die Wolken rosa-blau gefärbt über den Bäumen und dem Kreuz am Horizont standen sehr froh, dass ich mich fürs Gehen entschieden hatte. Schon immer wollte ich mal an einem Gipfelkreuz stehen, es war zwar nicht soooo hoch (ca1100HM) aber trotzdem kann ich einen Haken an meiner „Löffelliste“ machen.

Auch der Abstieg war noch einige Zeit schön. Kurz vor Burgos kam ich dann durch viel Industriegebiet, es ging km weit durch das nicht so schöne Randgebiet von Burgos. Vorbei an vielen Autos, Baumärkten, alten Industriegebäuden. Im Zentrum von Burgos war ich zunächst überfordern, so viele Autos, Menschen, Ampeln, Großstadt! Ich dachte mir sofort: ohhhjeee hier bleib ich zwei Tage. Ich wollte zurück in ein kleines Dörflein.

Tapfer führte mein Weg mich weiter, doch bald durfte ich den Charme der Altstadt erblicken, die vielen, hübschen Geschäfte und Bars.

Die traumhaft große Kathedrale die Atmosphäre hier war modern und voller Leben. Hier war auch direkt mein Hotel. Im Hotelzimmer angekommen und allein, war ich zunächst froh mich aufs Bett fallen zu lassen und hinter mir einfach mal eine Tür abzuschließen.

Bald schrieb Lin und wir trafen uns. Auch Angelo,Felix und Andrea kamen dazu. Lin hatte ein Abschiedsgeschenk für jeden. Aber für mich noch ein besonderes Armband, mit einem zu mir passendem Sprüchlein.

Immer wieder mussten wir weinen, weil der Abschied sehr komisch für uns alle ist. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit Lin meine Reise begonnen hab. Am Abend gingen wir in eine Pizzeria. Lin musste leider früh zurück zu ihrer Alberge. Andrea,Felix und ich saßen noch lange und hatten einen lustigen Abend.

Etappe 14

Burgos

Ich habe mich von Burgos wirklich überraschen lassen. Was ich zu Beginn als unangenehm volle, trubelige Stadt empfand, stellte sich als perfekter Ort heraus um dort etwas Zeit zu verbringen.

Unzählig viele Menschen feierten in Burgos an diesem Wochenende eine Art mittelalterliches Spektakel. Es waren Marktstände mit Schmuck, Lederwaren und leckerem Essen aufgebaut. Überall wurde spanische Musik gespielt. Die Spanier sangen mit und ich konnte so richtig spüren, wie stolz die Spanier auf ihr tolles Land sind. Ich traf einige Leute wieder, die mir auf dem Weg immer wieder begegnet sind. Wir saßen immer wieder zusammen in den verschiedensten Bars, aßen Tappas und tranken Calimocho.

Am Freitag Abend kam ich erst gegen 0.30 Uhr in mein Hotelzimmer zurück. Trotz des langen Abends war ich in meiner Routine und wachte kurz nach 6 Uhr auf. Aber ich hatte ja Zeit, konnte mich in aller Ruhe fertig machen, lecker frühstücken und dann die Stadt erkunden. Ich ging tatsächlich sogar shoppen. Etwas Beautyzeugs, einen warmen Pullover, eine Kette als Erinnerung an diese schöne Zeit und eine Mütze, da mir hier morgens manchmal kalt ist.

Der Tag war ganz wunderbar. Wir saßen wieder nett mit allen möglichen Leuten zusammen. Ich hab mich mit einem festen Drücker und Tränchen von Lin verabschiedet. Der Tag in Burgos war toll und hat mir neue Energie geschenkt. Trotzdem war ich froh, meinen Weg heute fortzusetzen… herrlich… die Meseta …ich mag sie.

Etappe 13

Burgos – Hornillos del Camino, 21 km

Heute morgen bin ich nach meinem Frühstück entspannt erst gegen 7.30 Uhr los. Es ist ein sehr schönes Gefühl gewesen, wieder mit dem Rucksack auf dem Rücken und den Stöcken in der Hand den gelben Pfeilen zu folgen. Heute sollte die Etappe nicht lang werden, ich hab genug Zeit.

Die Meseta beginnt quasi während meiner heutigen Etappe und ist für mich wunderschön. Klar und leerer als die Vorherigen, sandfarben und trocken. Heute bin ich vollkommen ohne Musik und einen großen Teil ohne Begleitung gegangen. Konnte nachdenken, mir Fragen stellen. Mich wohlfühlen und tief durchatmen.

In meinem Tempo kam ich nach 21 km im Ziel an und hatte direkt Glück beim aussuchen einer Alberge. Die Alberge ist hübsch, modern und relativ neu. Komplett zum wohlfühlen. Andrea schloss sich mir an, wir kauften noch lecker ein fürs Abendessen im Mini-Supermercado und entspannten uns.

Am Abend waren wir dann tatsächlich mal nur zu zweit, aßen unser lecker Eingekauftes und sprachen viel über unsere prägendsten Ereignisse im Leben. Wir haben viel gelacht zusammen, philosophiert, analysiert ein bisschen geheult und einfach auf das Leben angestoßen. Was für ein schöner Tag war das bitte wieder!

Es kann ruhig so weitergehen.

Etappe 15

Hornillos del Camino – Hontanas, 11 km

Heut morgen bin ich erst kurz vor 8 Uhr aus der Alberge raus. Ich wollte mir heute bewusst ganz ganz viel Zeit nehmen. Die Meseta genießen und allein gehen. Ohne Musik und im Zeitlupentempo bin ich die Kieselwege Schritt für Schritt entlang gegangen und hab teilweise Momente gehabt, wo sich die Gedanken überschlagen haben.

Die erste Pause mit Müsliriegel und Banane machte ich bereits nach 5 km. Mein rechtes Knie zwickte ein wenig und so dachte ich mir, stress dich heute nicht.

Nach ca 10 km erklang schon von weitem Klaviermusik. Klavier ist mein Lieblingsinstrument. Ein neu gebautes mediterranes Café lag auf dem Weg und ich dachte mir, „Das nimmste jetzt auch noch mit.“ Ich saß da und blickte in die Ferne der Meseta…die Klaviermusik gab mir dann sozusagen den Rest und ich heulte einfach furchtbar los. Was soll ich sagen, es musste wohl einfach raus. Danach ging’s mir super.

Ich bin jetzt nach 11 km in einem super schönem Örtchen angekommen. Mit bunten Fähnchen und einer super romantischen kleinen Kirche.

Hier bleib ich heute und lass den Ort einfach mal auf mich wirken.

Etappe 16

Hontanas -Boadilla, ca 30 km

Ich weiß nicht was los ist. Eigentlich ging es mir gut, ich hatte volle Energie und war mir klar darüber was ich wollte und was nicht. Nun bin ich irgendwie traurig und glaube, dass es an meinem inneren Kind liegt, welches wieder zu spüren bekommen hat, dass ich nicht wichtig bin.

Ich habe mich in etwas hineingewagt, was ich mir einfacher vorgestellt hab. Der Weg bringt aber Dinge hervor, die nicht einfach sind.

So ist es nun mal und ich habe jetzt die Aufgabe mich damit auseinander zu setzen.

Jeder Schritt heute war irgendwie als hätte ich Zementklötze an meinen Füßen. Jedes Wort viel schwer und jeden Gedanken hätte ich am liebsten zum Teufel geschickt.

Die Meseta ist wunder wunderschön ich bin dankbar, dass ich durch dieses Stück Erde gehen darf und dass ich eigentlich so frei bin jeden Tag alles für mich zu entscheiden.

Ich möchte gern stark sein, lachen und die Energie des Weges fühlen, wie in den ersten Wochen. Jetzt gerade fühle ich mich ausgelaugt und kraftlos.

Nach 18 km traf ich Andrea wieder. Sie sah sofort, dass es mir nicht so gut ging heute. Wir haben erst gelacht gequatscht und dann hat sie mich umarmt weil ich irgendwie mal wieder losheulen musste. Ich will nicht mehr heulen … hab beschlossen, dass ich damit jetzt mal aufhöre.

Dann sind wir ein ganzes Stück schweigend nebeneinander gegangen. Das haben wir uns vorher ausgemacht. An einem Busch, der gefühlt der einzige schattige Platz heute war, hörte ich plötzlich ganz viele Vögel zwitschern. Sonst nichts, nur der leichte Wind der Meseta und die Vögel. Ich setzte mich hin, schloss meine Augen und blieb einfach ein paar lange Minuten sitzen. Ich wollte einfach dem Zwitschern lauschen und ganz bei mir sein.

Das war ein schöner Moment.

In Biadilla de Camino angekommen fanden wir eine echt nette Alberge mit Pool und schönem Garten. Ich hab das Gefühl im Ort gibt es nur Pilger und sonst keine anderen Menschen.

Ich bin immernoch dankbar auf dem Weg zu sein aber die Sehnsucht nach Hause war heute sehr groß.

Etappe 17

Boadilla – Carrion de los Condes, 26 km

Heute war ein echt guter Tag. Andrea und ich sind gegen 7 Uhr aufgebrochen haben uns bei Eduardo dem Hospitalero bedankt, der hat uns gestern mit seiner guten Laune echt angesteckt. Heute war Tag fürs Zeit lassen.

Im nächsten Ort haben wir erstmal gefrühstückt und einen Supermarkt und ne Post aufgesucht. Ich hab nämlich ein paar Sachen heim geschickt die ich garnicht brauch auf dem Weg. Mit leichterem Rucksack geht mein Weg nun weiter. Nicht nur körperlich auch mental.

Andrea und ich haben auf dem Weg gesungen und getanzt, dass war total befreiend. Auf 5 haben wir dann kurz mal laut geschrien… die leere Meseta hat unser Gebrüll aufgenommen und zurück gerufen… ihr seid großartig!

Erst nach 5 kamen wir am Ziel an, weil wir wirklich keine Bar ausgelassen haben um Tapas zu essen und Limo zu trinken. Wir haben eine ganz wunderbare Alberge Santa Maria. Von Ordensschwestern geführt. Im Garten wurde gesungen. Die Atmosphäre war einfach schön.

Später saßen wir mit Carrell den ich schon in Roncevalles getroffen hab zusammen und er inspirierte mich sehr mit seiner Weltansicht, seinem Optimismus, seinem Lebensweg und der Art umzugehen mit dem Leben.

Das Leben ist eigentlich ganz leicht… bis auf ein paar Ausnahmen, aber die schaffen wir schon!

Etappe 18

Carrion de los Condes – Moratinos, 30 km

Um 4 Uhr klingelte der erste Wecker! Bis 6.05 Uhr hab ich dann geschafft zu schlafen. So langsam weiß ich nicht ob ich noch 3 Wochen diese Herbergen aushalte.

Der Sonnenaufgang war wieder traumhaft schön. Unser Frühstück haben wir direkt im ersten Café im Ort celebriert. Ganz entspannt sind wir gegen 7.30 Uhr aufgebrochen.

Ich persönlich find die Meseta garnicht so öde und lang wie ich es vorher erzählt bekommen hab. Es gibt ein paar Pappeln, ich mag Pappeln, sie erinnern mich an meine Heimat, da stehen die auch so schön zwischen den Feldern. Die angekündigten 18 km ohne Alberge und ohne Café waren nicht schlimm. Ein Food Truck stand auf dem Weg mit stimmiger Musik und ich hab die folgenden 10 km als  Klacks empfunden. Vermutlich auch wegen meinem 3 kg leichterem Rucksack. Der Alex hat mir gestern beim aussortieren meiner Sachen geholfen. Der ist Profi!

Nach 26 km kam ich heut im Ort an, der eigentlich mein Ziel sein sollte. Andrea und ich dachten gleich, hier passt die Atmosphäre nicht. Dann kam der Carell um die Ecke. Den schickte uns der Himmel. Wir kamen dann doch in einer gemütlich wirkenden Alberge an. Nur 2 Betten noch frei. Mitgehangen, mitgefangen wollten wir niemanden zurück lassen. Also beschlossen wir innerhalb von Sekunden … auf zum nächsten Ort!

Zu dritt sind wir nun in einem netten Zimmer mit richtigen, dicken Matratzen und richtiger Bettwäsche. Kein Gummi, kein Papierbezug. Heut Nacht werden wir gemütlich schlafen, ohne Schnarcher und ohne dass um 4 Uhr wieder ein Wecker klingelt. Dafür haben sich die 30 km heut gelohnt.

Zum Abendessen gab es Spagetti für mich, bowwww war das lecker, endlich mal wieder Nudeln.

Ich liebe Nudeln!

Etappe 19

Moratinos – Calzadilla de los Hermanillos, 23,6 km

Tatsächlich hat mich heute zum ersten Mal mein eigener Wecker geweckt! 6.45 Uhr.

Carrel, Andrea und ich haben sogar 15 min gewartet, bis unsere Alberge einen Kaffee am Start hatte. Carell blieb noch auf einen zweiten Café sitzen. Andrea und ich starteten ins halb Dunkle. Ich hab garkeine Ahnung wieviele km heute geplant waren. Ziel unbekannt.

Nach 10 km ging ich erstmal allein weiter. Seit Tagen zum ersten Mal wieder mit Musik. Musik ist für mich eine wahnsinnig schöne Begleitung, aber in den letzten drei Tagen hab ich sie nicht ertragen, da die Meseta eh schon genug mit mir macht. Die Etappe heut war mega schön. Ich entschied mich für die längere Etappe.

Ich war komplett allein! Um mich herum ewige Weite, ein paar Bäume und vor mir der Weg. Ich tanzte! Meine Trekkingstöcke waren meine Poledancestange.

Ich war ja ehhh allein…also alles völlig egal! Ich strahlte innerlich und jeder Schritt war in meinen Gedanken ein Schritt nach Hause! Ich vermisse meine Kinder! Mein Finn hat mir heut so süß geschrieben. Ich bin so stolz auf meine Kinder! Sie sind ganz großartige Menschen!  Heute war ein Tag an dem ich mich wirklich stark fühlte, daran dachte, was ich alles schon geschafft und vollbracht habe. Nicht immer schaffe ich es diese Dinge zu sehen! Heute schon! Heute war gut! Ich bin gut… sowas von gut!

Der Weg ist gut! Ich freu mich, dass ich noch ein bisschen Zeit hab, für all meine Gedanken. Ich freu mich auf noch ein- zwei Tage Meseta. Ich freu mich auf Galizien. Ich hab eine süße Alberge gefunden. Vier Bett Zimmer, weiße Handtücher, top neues Bad … ich brauch das heut. 20 Euro inclusive Frühstück. Andrea ist noch auf dem Weg und schließt sich mir an. Ihr Bett hab ich vorsorglich reserviert.

Gleich geh ich nochmal durch den Ort und feier den Tag!

Etappe 20 

Calzadilla de los Hermanillos – Mansila de las Mulas, 24 km

Heute Nacht wachte ich 5 Uhr auf, obwohl es ruhig war im Zimmer. Danach konnte ich erstmal eine Stunde nicht wieder einschlafen. Um 7.30 Uhr erschrak ich, da ich die einzige im Zimmer war, die noch lag.

Der Weg heute ging lange Zeit über grobere Steine und an etlichen Feldern vorbei. Es gab zwei Routen, ich entschied mich für die fast 24 km Strecke ohne Orte von Calzadilla nach Mansilla de la Mulas.

Das tatsächlich nichts kam, nicht mal ein FoodTruck war mir nicht klar. Aber da ich ja nun 3 kg leichteres Gepäck hatte, hab ich mir gestern mindestens 3 kg Proviant mitgebracht. Trauben, Kekse, Banane, Mandarine, Müsliriegel, Tomate und Apfel…ich bin vorbereitet, falls ich unterwegs ausgehungerte Pilger treffe, kann ich teilen.

Der Weg war mental und körperliche anstrengend, monoton und mit wenig Möglichkeiten zur Ablenkung. Ich war den ganzen Weg allein. Hatte also wieder viele Gelegenheiten zum tanzen und laut singen!

Nach 7 Stunden kam ich im Ziel an und war ziemlich froh. Petra, die ich längere Zeit nicht gesehen hatte winkte mir zu. Mit ihr trank ich dann erstmal ein Bier. Auch Hochez (keine Ahnung ob ich das richtig schreibe) traf ich immer wieder. Andrea kam auch noch dazu und mit ihr teile ich mir heute ein schönes Hotelzimmer. Richtig modern und schön.

Vorm Essen traf ich Hochez wieder. Er schläft heut draußen. Er hat kein Zimmer gefunden. Wir boten ihm an in der Küche auf der Couch zu schlafen. Aber er sagte er ist jung und stark, er bleibt draußen. Ok… ich hoffe der Arme friert heut Nacht nicht. Ich schlug ihm noch die Kirche vor, aber ich glaube er spekuliert mit der Bank auf dem Marktplatz. That’s the Camino sagte er laut lachend.

Ich hab heute nach langer Zeit mal wieder mit meiner Schwester gesprochen. Das hat total gut getan.

Wie schön, dass ich sie habe!

Am Abend kamen wir dann in einer Alberge zum Essen mit vielen anderen bekannten Gesichtern zusammen. Bernd saß bei uns und wir hatten tolle Gespräche am Tisch, er war sehr spirituell und hatte eine wunderbar ruhige Ausstrahlung. Morgen kommen wir dann in Leon an.

Etappe 21

Mansila – León,  20 km

Die Strecke nach Leòn führte recht viel durch Industrie geprägte Abschnitte sowie an der Straße entlang. Ich startete mit einem Café con Leche und meinen mittlerweile traditionell gewordenen O- Saft. Die meisten auf dem Weg liegenden Cafés hatten geschlossen. Nach 20 km tauchte León am Horizont auf. Großstadt!

Ich atmete nochmal tief ein und aus, freute mich dann aber einen weiteren Meilenstein auf meinem Jakobsweg erreicht zu haben. Am Ortseingang kamen Andrea und ich wieder zusammen. Zunächst gingen wir in eine kleine Kirche. Eine auffällig gut gekleidete Frau sprach mich an. Ich verstand sie leider nicht. Sie nahm meine Hand und fing fast an zu weinen. Lächelte, ließ mich los und bedankte sich dann. Sie warf mir mit der Hand einen Kuss zu. Ich deutete es so, dass sie irgendwie froh und dankbar war. Diese Situation löste in mir ein sehr verbundenes Gefühl aus. Auf dem ähnlich wie in Burgos mittelalterlichem Markt kaufte ich mir Schmuck als Andenken an diese mega Zeit hier. Ein bisschen Luxus muss sein.

Am Abend saßen wir noch mit anderen Pilgern zusammen. León war wunderbar lebhaft und hatte soviel spanisches Flair. So richtig zum Ende kamen wir nicht, es zog es uns  noch in eine Bar mit spanischer Musik. Wir tanzten die nächsten 2 Stunden. Barfuß und voller Lebenslust ließ ich dem Abend seinen Lauf. Das fühlte sich so gut an, nach der langen Covid- Partypause.

Herrlich …. Die spanische Musik sollte garnicht wieder aufhören und eigentlich wollte ich auch noch gar nicht gehen. Aber der morgige Weg wartet. Leon was für ein schöner Abend.

Etappe 22

Leòn – Villante, 31 km

Ich entschied mich für die längere aber dafür landschaftlich schönere Strecke. Zunächst aus Leòn raus zu laufen dauerte seine Zeit. Zu lang um Frühstück ausfallen zu lassen. Andrea und ich waren uns da einig. Und weil die Tortilla soooo lecker war, nahmen wir gleich zwei. Danach trennten wir uns zunächst. Der Weg sah traumhaft schön aus. Führte über lange Schotterpisten wieder ewig an Feldern vorbei. Die Laune war gut aber der Sangria und der Mojito von gestern waren noch deutlich spürbar

Naja wer feiert muss auch arbeiten. Nach ca 28 km konnte ich einfach nicht mehr. Ich legte mich auf eine Bank. Seit Stunden war kein anderer Pilger in Sicht, nichtmal Andrea. Zum Glück gabs noch gelbe Pfeile. Ich lag einfach da und schlief fast ein. Eine Hummel weckte mich wieder auf. Ich aß alles Proviant aus meinem Rucksack. Ich merkte meinen Kreislauf. Schoki, Obst und Wasser gaben mir die Energie zurück. „Komm schon… reiss dich zusammen!“ ich half nochmal nach mit Musik und nahm Anlauf für die letzten 2-3 km. Meine Uhr sagte heute über 31 km, eigentlich sollten es 29 km sein.

In der Alberge angekommen tat die Dusche mega gut. Heut bleib ich nur noch im Bett. Etwas essen und wieder ins Bett 9 Stunden gehen, ohne große Pausen sind genug! Morgen nur um die 20 km …. Auf nach Astorga. Hoffe die Maus hier in der Alberge verirrt sich nicht in meinen Rucksack.

Etappe 23

Villante – Astorga, 25 km

Heute morgen verließen Andrea und ich die Herberge und wurden vom ersten Meter an von einem Holländer „belagert“ der seine Tour heute begann. Der Gute merkte einfach nicht, dass uns morgens 7.15 Uhr nicht danach war, ohne Punkt und Komma zu reden.

Ich hielt irgendwann an und suchte 10 Minuten meine Stirnlampe nur damit er auf die Idee kam weiter zu gehen. Fehlanzeige! Da half nur die direkte Ansage …. „Ich würde gern allein weiter gehen!“

Als er dann 30 m vor mir allein weiter ging fühlte ich mich direkt schlecht. Aber hey…so ist es halt manchmal. Es läuft nicht immer alles nach Plan.

Der Weg heute war toll, ich war vollkommen ausgeruht und voller Energie. Die Wege waren bunt. Der Weg rötlich und die Felder wechselten sich in creme, grün und gelb ab. Herrliche Naturlandschaften bildeten sich vor mir ab. Ich traf viele vollkommen neue Pilger aber auch bekannte Gesichter.

Zu meiner Freude traf ich heute den Santi in Astorga wieder. Er freute sich auch, wir haben garnicht mehr miteinander gerechnet, da er mir eigentlich seit Tagen nicht mehr begegnet ist. Auch Hochez,  Hanna und Sandra liefen mir über den Weg und es verbindet uns irgendwie, dass wir alle in ca. 10 Tagen in Santiago sein werden und schon so viele km hinter uns haben. Mit Bernd und Petra saßen wir am Abend noch lange zusammen und hatten ganz wunderbare Gespräche. Ich freue mich hier so besondere Menschen zu treffen mit so beeindruckenden, sehr inspirierenden Lebensgeschichten.

Die nächsten zwei Etappen werden eher kurz aber auch emotional. Das Cruz de Ferro ist schon sehr nah. Dort werde ich zwei Steine ablegen. Ich denke hier sehr viel an zwei besondere Menschen aus meinem Leben.

Welche Wege ich nach meiner Reise einschlagen möchte weiß ich nicht.

Ich glaube man muss für manche Dinge keine Lösung finden. Vielleicht hilft es schon zufrieden zu sein, wenn es ruhiger in einem wird, sich an die schönen Seiten zu erinnern und zu verzeihen.

Etappe 24

Astorga – Rabanal, 21 km

Astorga war mega schön! Ich hab gut geschlafen und nach einem kleinem Frühstück ging es für mich auf den Weg!

Mir war heut viel nach allein sein! Es sind die letzten 9 Tage…komischer Weise kann ich jetzt viel besser allein sein als zu Beginn meiner Reise. Meine Gedanken waren heute zum Teil sehr ruhig… dann wieder durcheinander. Es fühlte sich auch mal kurz an wie leergedacht. Fertig gedacht oder so! Zufrieden gedacht. Keine Ahnung wie ich das beschreiben soll!

Der Blick in die Ferne erfüllte mich so sehr mit Zufriedenheit, dass ich nichts weiter brauchte. Die Berge kommen zurück. Sie sind zwar weit weg am Horizont aber sie sind da. Ich liebe die Berge… vielleicht wäre das ein Ort für mich? Darum hab ich mich vielleicht auch Berghuettenfee genannt. Darum lieb ich Österreich und freu mich auf den nächsten Urlaub mit meiner Familie.

Ich hab heute einen Maulwurf gerettet! Eine Katze hat ihre Pfote in ein Erdloch gesteckt und zog den armen Kerl heraus. Ich hab das Spiel kurz beobachtet und ihm dann geholfen. Er hat ne Chance verdient dachte ich mir! Die Katze war dick genug. Der kleine Kerl lag auf dem Rücken und hat sich tot gestellt. Ich drehte ihn um. Dsas der son Tempo haben kann war mir neu! Der raaaaste richtig los. Grub sich schnell ein und freut sich jetzt sicher, dass er es nochmal geschafft hat. Die Katze wird was anderes finden!

Ich wollte heute eigentlich mal wieder in einer Alberge schlafen. Die erste die ich betrat roch sehr stickig und war eng. Die Etagenbetten standen dicht beieinander und fast jedes Bett war schon belegt. Ich hab garnicht nachgedacht, meine Beine gingen einfach von alleine wieder raus!

Im Dorf schlenderte ich dann den Weg hinauf und stand vor einem Mauerwerk, was mir irgendwie zurief… „ schau mal rein!“ Drinnen freundlich begrüßt, roch es lecker nach Essen, rustikal eingerichtet. Sehr sauber. Ich buche kurzerhand ein Doppelzimmer für Andrea und mich die kurz nach mir eintrudelt.

Vielleicht schäme mich ein bisschen, dass ich es mir so gut gehen lasse.

Ziel für die nächsten Tage: Alberge mit Etagenbetten und mindestens 25 andere Pilger. Mal schauen ob das so kommen wird.

Etappe 25

Rabanal – Molinaseca 26 km

Heute Morgen war es so dunkel wie noch nie. Die Sterne waren glasklar und der Mond beleuchtete meinen Weg. Schon bald veranstaltete der Himmel hinter mir den schönsten Sonnenaufgang den ich bisher erlebt hab.

Die heutige Etappe war so beeindruckt und überwältigend für mich. Um mich herum eine herrliche Weite an Wäldern, Heide und Berge. Meine Füße mussten heut über einiges Gestein und auch ein paar Höhenmeter überwinden.

Am Cruz de Ferro verliess mich kurz meine Spiritualität. So viele Gedanken hab ich mir vorher gemacht, was ich wohl an diesem Kreuz liegen lassen möchte. Als ich dann davor stand und meine zwei Steine aus der Tasche holte, rollten zwar auch ein – zwei Tränchen, aber das, was ich glaubte dort zu lassen war nicht in meinen Gedanken.

Eher schaute ich all die Bilder an, die schon dort von anderen Menschen abgelegt wurden und fragte mich, welch große Last manch einer hier versucht dazulassen.

Ich war dankbar, dankbar für all die Zeit, die ich schon da sein darf, für alles was ich bisher geschafft hab, dankbar für meine unglaublich tollen Kinder, die so großartige junge Menschen geworden sind. Dankbar für 24 Jahre mit Dennis, für alles was wir zusammen erlebt und gemeinsam aufgebaut haben, durch dick und dünn gegangen sind. Dankbar dafür, dass er mein Temperament und meine Impulsivität erträgt und vielleicht sogar ein bisschen liebt. Dankbar, dass ich dass hier machen darf… auf eine Reise gehen, die soviel Emotion mitbringt, die macht, dass ich hinschaue auf alles was mich je bewegt hat.

Eine Reise die Unsicherheiten mit sich bringt, was danach sein wird. Ich bin nur noch 8 Tage unterwegs….

Nie war ich mehr in meiner Mitte als jetzt! Diese Reise ist wie ein kleines Leben im Turbogang, weil hier ALLES nochmal an mir vorbei rauscht was je gewesen ist.

Ich bin sehr glücklich, dass ich nach all der Zeit ganz tiefe Zufriedenheit empfinden darf.

Etappe 26

Molinaseca – Cacabelos, 23 km

Der Weg heute war recht ruhig und rührte wenig in mir. Nach so einem beeindruckendem Tag wie gestern, ist es auch schwierig. Bzw. will ich es gern so sehen, dass so Tage wie heute entspannend sind, da ja auch die Eindrücke der letzten Zeit mal sacken können ohne dass noch mehr und noch mehr dazu kommt.

Eigentlich waren heute 31km geplant … da es aber auch so schon ausgereicht hat, war nach 23 km Schluss. Ich hab gerade nett vor einer Bar gesessen, Salat und Bier bestellt, als Karell dazukam. Wir haben zusammen gegessen und ein tolles Gespräch gehabt. Kurz darauf trudelte Andrea ein. Karell zog weiter. Mittlerweile war die Uhr fast vier. Ich schaute mich um und sagte, hier ist es doch nett.

Wir hatten Glück im 6 Personen Schlafsaal gab es noch zwei Betten für uns. Na dann bleiben wir, war die Entscheidung.

Frisch geduscht gingen wir erstmal auf dem Spielplatz gegenüber schaukeln und lachten uns kaputt über uns selbst. Es ist einfach immer so mega lustig. Im Supermarkt suchten wir dann wie blöd Oliven und Anchovis. In unserem Hostel schoben wir uns die Tische in die Sonne und hatten einen herrlichen Abend.

Beate aus Österreich gesellte sich später zu uns, weil unser ständiges Gegacker sie neugierig gemacht hat. Ich holte uns ne zweite Flasche Wein und Wolldecken, so saßen wir bis 22.30 Uhr und erzählten uns alles Mögliche.

Das war ein echt gelungener Abend mal wieder.

Etappe 27

Cacabelos – Vega De Valcarce 28 km

Heute morgen hatte ich eigentlich überhaupt gar keine Lust loszugehen. Ich war noch etwas müde und irgendwie war ich erschöpft.

Ohne Frühstück mit Banane bewaffnet ging es im Dunkeln auf den Weg. 7 km sollten es ursprünglich sein bis zum Frühstück in Villafranca. Das Sandwich und der Café taten gut. Mein Körper fühlte sich an, als hätte er schon 15 km hinter sich.

Hochez und Santi trafen wir auch kurz wieder die zwei sprinteten heute über den Berg. Kurz nach einer Brücke folgten Andrea und ich dann dem Camino Duro einem steilem Aufstieg, 2 km länger als der Hauptweg, aber nicht an der Straße entlang.

Ich bin heut Abend sooo froh, dass wir uns dafür entschieden haben. Der Weg war traumhaft schön. Meine Müdigkeit verflog und die gute Laune kam schnell zurück. Der Ausblick war grandios und die Anstrengung hat sich so dermaßen gelohnt! Diese Weiten, Weinfelder, Berge, Maronenbäume, Pinienwälder. Es duftete nach Lavendel und an den Wegrändern wuchs Oregano, Pfefferminz und Thymian.

Ich konnte nicht soviel schauen und atmen, wie ich am liebsten für immer alles in mich aufgesogen hätte. Unbeschreiblich schön!

In einer kleinen Alberge 7 km vorm Ziel aß ich dann einen Cheesecake mit Maronen. Nach 28 km trudelten wir gegen 17 Uhr im Ort ein und landeten in der Pension Fernández bei Maria im Schlafsaal mit 16 Betten. Es ist einfach eingerichtet. Maria gab sich so wahnsinnig viel Mühe uns ein liebevolles Menü zu zaubern, so lecker hab ich lange nicht gegessen. Unglaublich geschmackvoll und hübsch angerichtet. Da schlaf ich gern im Schlafsaal…das Essen und die Gastfreundschaft sind hier der Hammer.

Neben all unsere tiefsinnigen Gesprächen lachen wir hier auch so wunderbar viel.

Der Tag war wieder so besonders und schön!

Etappe 28

Vega De Valcarce – Fonfria 24 km

So lieb wie Maria gestern das Abendessen bereitet hat, ging es am Morgen weiter mit dem Frühstück. Andrea und ich kamen erst 8.30 Uhr los. Aber wir waren trotzdem entspannt.

O Cebreiro lag heut vor uns mit seinen 1300 HM. Der Weg führte über Schotterpisten und Laubwäldern stetig in die Höhe. Aber herausragend anstrengend empfand ich es nicht. Eher verflog die Zeit und die km wie im Flug.

Leider häuft es sich, dass mir auf dem Weg traurige Hunde begegnen. Sie sind eingesperrt in kleinen Boxen oder Zwingern und jaulen oder bellen fürchterlich. Schon gestern kam ich an so einem armen Tier vorbei und musste losheulen, weil er so furchtbar geschrien hat. Heute saßen wieder 4 Hunde in einem kleinem Anhänger am Weg. Ich versteh das nicht, hier wäre soooviel Platz? Hier ist so ein wunderbares Fleckchen Erde, man könnte es den Hunden schön machen aber der Eindruck entsteht, dass hier so ein Hundeleben garnichts wert ist! Das ist so furchtbar. Ich versteh das nicht, wenn ich in die Augen eines Tieres schaue dann steckt da doch eine Seele drin? Warum ist es denn möglich, dass es Menschen gibt, die da nix empfinden? Ich habe mir die Orte aufgeschrieben wo mir die Tiere aufgefallen sind und werde von Hamburg aus versuchen mich zu erkundigen, was man tun kann. Leider wurde mir hier erzählt, dass man die Tiere einfach nur abholen und töten würde.

Das sind hier Erfahrungen, die mich echt furchtbar traurig machen.

Heute habe ich Galizien erreicht. Ab hier soll es häufiger regnen. Dafür ist es bergig und grün. Es sind weniger als 150 km bis Santiago.

Ich bin heute Abend in einer großen aber gut organisierten und modernen Alberge. Es gibt traditionell galizisches Abendessen. Beate hat uns auch eingeholt. Hochez und Santi sind in der selben Unterkunft mit UNO und Zaubertricks hatten wir einen sooo lustigen Abend…

Herrje, wir kennen uns garnicht aber es fühlt sich wie ewig befreundet an.

Etappe 29

Fronfria – Sarria 26 km

Der Tag startete heute mit Sprühregen. Trotzdem immernoch in kurzer Hose ging es auf den Weg. Ich hab mich recht schnell von den Begleitungen gelöst, da ich das viele Reden am Morgen irgendwie erst am Abend gut aushalten kann. Jedenfalls jetzt gerade ist das so.

Ich kam durch einige kleine, spanische Dörflein, die verlassen und zerfallen wirkten aber hinter den Hausmauern konnte ich Geklapper von Töpfen und Stimmen wahrnehmen. Die Wälder durch die ich heute ging, wirkten verwunschen. Efeu rankte an jedem Baum empor. Tausende Maronen lagen auf dem Weg, ich hätte sie zu gern alle aufgesammelt und in Hamburg in meinem Backofen zur herbstlichen Zeit gebacken…wenn mein Rucksack nicht schon schwer genug wäre. Manchmal nahm ich eine in die Hand um die glatte Oberfläche einfach nur zu spüren. Handschmeichler.

Ich ruhte heute in mir aber irgendetwas brodelt auch. Ich kann nicht richtig begreifen was es ist. Werde ich wehmütig weil der Weg bald zu Ende ist? Vor 7 Wochen hatte ich noch Angst so lange von daheim weg zu sein. Jetzt hab ich Angst, dass die täglichen Laufrunden um die Alster nicht ausreichen werden mich zur Ruhe zu bringen.

Ich freue mich auf zu Hause, ich freue mich auf meine Familie, meine Arbeit, meine neue Zeit ohne Abendschule ohne Lernstress ohne Prüfungen.

Ich bin fertig…ist man jemals fertig? Kann ich mich zufrieden geben mit fertig sein? Keine Ahnung! Ich habe heute mein Zimmer in Finisterre gebucht.

Nun genieße ich erstmal die letzte Woche meiner Reise.

Etappe 30

Sarria – Portomarin, 25 km

Sarria hat mich nicht umgehauen…eher die Menschenmengen die sich morgens neben Andrea und mir auf den Weg begeben haben. Mit kleinen Rucksäcken, schweren Stiefeln oder dünnen Schühchen.

Stromartig verließen alle die Stadt und ich versuchte mich dem Strom so anzupassen, dass ich nicht das Gefühl hatte, dass er mich bremst.

Ich weiß nicht, ob es an der vorhandenen Kondition lag oder ob es eher die Flucht war, vor den Massen? Ich wollte vorbei! Jedesmal wenn ich eine Ansammlung überholt hatte, tauchte eine Neue vor mir auf.

Nach ca. 10 km setzte ich mir Kopfhörer auf und versank mit Hilfe der Musik in meinen Erinnerungen der letzten Tage auf dem Camino. Kurze Zeit hatte ich den Wegabschnitt für mich allein.

Ich sehne mich in die Meseta zurück. Galizien hab ich mir anders vorgestellt. Aber es ist egal… ich hatte sooo schöne Tage, Wochen und bald sind es zwei Monate auf dem Camino, dass ich jetzt beruhigt sagen kann, es gehört wohl dazu, jetzt auch diese vollen Etappen zu laufen.

In Portomarien angekommen war die erste Alberge compledo full, das nächste Hostel ebenfalls. In der folgenden Alberge kamen wir dann unter. 2 Räume mit 28 Betten, 2 WC’s für 60 Leute. Die Duschen waren kalt und irgendwie ist mir hier alles zu eng. Atmen…atmen….atmen… Andrea sagte mir, das mach ich keine 4 Tage mehr!!!

Ich auch nicht! Frisch kalt geduscht sind wir dann erstmal richtig lecker Essen gegangen. Etliche bekannte Gesichter sind hier im Ort…Ich bin etwas müde in den verschiedenen Sprachen zuzuhören und finde es oft schade, dass ich kein spanisch spreche. Es sind noch 90 km bis Santiago….

So langsam merk ich, ich will ankommen und dann ist es auch mal gut! Die letzten 90 km werden anders sein, als all die Wochen die bisher waren.

Spirituell ist es seit heute eher weniger. Wenn ich mir all die humpelnden, mit Blasen belasteten Menschen hier ansehe, bin ich echt sehr froh, dass mein Körper dass so mega gut mitgemacht hat, dass ich es ohne große Wehwehchen genießen konnte und ja auch noch genießen kann.

Ich freu mich auf morgen…die Unterkunft ist schon gebucht und wird keine 60 Personen Alberge sein.

Ein bisschen kleiner…

Etappe 31

Portomarin – Palas de Rei, 23 km

Die Albergennacht war unglaublich, ich dachte mein Schwein pfeift, als gegen 23 Uhr die Dame über mir, Besuch zu sich bekam und ich das Geflüster und Gegacker hören konnte. Der männliche Mitpilger hatte zum Glück nur soviel Gewicht, dass das Bett nicht sammt den beiden über mir zusammenbrach. Ich will garnicht wissen, was die Zwei da veranstaltet haben. Herrje, ich wusste nicht recht, ob ich laut loslachen oder mir genervt Kopfhörer ins Ohr stecken sollte. Am Ende lag ich nur da und dachte mir, nun werdet mal fertig, damit ich schlafen kann! Nach ca. 30 min lag der Gute dann endlich mal in seinem eigenem Bett über Andrea.

28 Leute in Etagenbetten und tatsächlich krabbeln welche zueinander. Whaaat the fuck! Und dann direkt über miiiiir!!!!

Heute morgen bei Gewitter, Blitz und Donner liefen Andrea und ich dann schnurstracks den Weg entlang ohne Hirn ein wenig (da nicht ganz ungefährlich) aber vor allem ohne Frühstück!

Nach 10 Minuten war ich nass bis auf die Unterhose und dachte mir… heut halt ich nicht an…heut renn ich durch!!! Es tropfte mir von den Haaren, der Nase, die Schuhe schmatzten bei jedem Schritt. Alles klebte am Körper.

Naja nach 7 km kam eine Alberge mit gutem Frühstücksangebot.

Wie alle 5000 anderen Pilger auch, ging ich hinein, bestellte mir ein riesiges Baguette mit Ei und zog meine nassen Sachen aus. Ich zog meine kürzeste Hose an, denn nasse, nackte Beine sind angenehmer als nasse, angezogene Beine.

Nach Vernichtung einer halben Tafel Schoki, war ich nicht mehr zu halten. Die nächsten 18 km ohne Stopp und durchgehend nass.

Am Anfang kurz vorm Heulen, am Ende laut lachend und voller Energie fand ich es einfach nur geil!

Meine Blasen waren zurück und ich hatte bei jedem Schritt das Gefühl, Bikini wäre jetzt auch nicht schlecht. Was für ein Tag … ich bin froh, dass wir heut ein Zimmer für uns haben.

Jetzt wo wir angekommen sind scheint die Sonne.

Ich glaub das war heut ein Test, ob ich auch wirklich nicht ins Taxi steige. Nein du da oben auf der Wolke, wer auch immer du bist, tue ich nicht!!!

Etappe 32

Palas de Rei – Arzúa 32 km

„Sabrina“ aufstehen! 7.45 Uhr!“

Wowww ich hab so gut geschlafen. Das war mal richtig gut. Und endlich nicht im Dunkeln los.

Meine Blasen ziepten mir direkt von Beginn an, an den Füßen, „na Bravo“ dacht ich mir und nun zwei Tage über 30 km bei Regen, das kann ja was werden! Aber hey, nach 10 km waren die Füße dann wie betäubt und es flutschte fast wie von allein!

Nach 5 km gabs das Frühstück, wie immer Tortilla, Zumo und Café con Leche. Die Pilgermassen stören mich nicht mehr! Eher freu ich mich über die ansteckend gute Laune der Spanier die auf dem Weg sind.

Nach 10 km dann der erwartete Platzregen. Ich flüchtete erstmal ins nächste Café und versuchte mir mit tiefer Bauchatmung und meiner inneren Stimme einzureden,„Sabrina, du packst das!“ Da musste erstmal ein Crossaint her und Zucker im Café!

Ok! Auf gehts! Raus in die Freiheit … in den Regen! Ich weiß nicht wie, aber ich flog!

Ich hörte wieder Musik! Alles, was irgendwie dazu beitrug mich zu tragen…durch Pfützen und Matsch… was soll ich sagen, hat geklappt!

Die Alberge mit der wir uns eigentlich nochmal quälen wollten, ist wunderschön. Eigentlich soll die über 100 Betten haben. In meinem Zimmer gibts 8 und wir sind zu dritt. Die anderen Zimmer haben 20 Betten und sind voll. Super hübsche Einrichtung mit Stil und sauber. Also nix mit Sünden loswerden und leiden. Darum regnet es wahrscheinlich so viel!

Mit Entsetzen stellten Andrea und ich eben beim Wein trinken und Füße massieren in sonem Massagegerät fest, dass wir morgen 39,8 km laufen müssen. Im Plan steht 34 km aber der Outdoor sagt 39,8 km, die Steine am Weg und der Taschenrechner leider auch!

Scheissebebberle! Morgen werd ich heulen, dass weiß ich jetzt schon! Is mir egal! Vielleicht trägt mich wer? So wie die, die beim Marathon kurz vorm Ziel zusammenbrechen! Ich liiiiebe Dramen… wie im Film… nein Quatsch! Ich schaff das! Das wird geil und ich freu mich total doll auf morgen!

Etappe 33

Arzúa – Santiago de Compostella, 40 km

Ich liege platt aber sehr glücklich in meinem Bett im Hotelzimmer. Der Tag war lang und es ist bereits kurz vor 22 Uhr. Dies war der letzte Tag meines Weges zumindest gehend! Die letzten km.

Heute morgen 7.30 Uhr gingen meine Füße zunächst über trockenen Boden. Schon nach wenigen Minuten spürte ich heute so eine unbeschreibliche Leichtigkeit in mir, heute werde ich ankommen! Mein Körper sagte mir: „Mach dir keine Sorgen, ich halte mit dir durch!“

Der Weg führte durch lange Abschnitte wunderschöner Eukalyptuswälder. Efeu und moosbewachsene Steine und Stämme. So oft hab ich heut tief eingeatmet und immer wieder hatte ich mit mir zu kämpfen nicht loszuheulen. Nicht vor Wehwehchen, die gab es nicht, vor Wehmut, vor Glück und tiefer Dankbarkeit.

Die km rasselten nur so runter und ich wollte einfach garnicht ankommen. Ganz bewusst machte ich überall Pause wo es ging, um jede Minute zu genießen und meinem Körper neue Energie zu geben. B

eim 13km Stein hatte ich bereits 26 km hinter mir und dachte mir: „ ohhh nein, nur noch 13 km.“ ich wollte nicht ankommen….

Diese Reise war so etwas unglaublich besonderes für mich, diese Eindrücke und Erkenntnisse werden für immer bleiben. Meine Tränen kamen irgendwann einfach…Glückstränen. 5 km vor  Santiago wartete ich auf Andrea.

Wir gingen zusammen in die Stadt rein.

Ich muss sagen, dass der Gang zur Kathedrale mich nicht so emotional gepackt hat, wie viele Abschnitte meines Weges.

Eher war ich später in der Kathedrale nach der Pilgermesse bei dem wunderschönem kirchlichem Gesang sehr in mir ruhend, tief durchatmend saß ich einfach dort und war innerlich so frei und zufrieden, dass ich es schwer beschreiben kann.

Ich zündete eine letzte Kerze für jemanden an, der ich von Herzen wünsche, dass sie es schafft und genieße nun nach meiner Dusche die Ankunft in Santiago, indem ich einfach nur schlafen gehe!

Tag 34

Ausgeschlafen….

Angekommen…. Wirklich angekommen!

Durch Gassen gehen….

Im Regen mit mir vollkommen sein….

Glück im Herzen….

Glück im Bauch….

Glück überall….

Tief durchatmen…

Wein ….Pulpo…Tortilla…geraspelte Tomate ( keine Ahnung ob es einen Namen dafür gibt)

Heute nicht gehen? Wie soll das gehen?

Wohin mit mir?

Aufs Hotelzimmer… im Bett auf der Matratze tanzen, im Bett springen und laut spanische Musik hören! (Quevedo playlist)

Das war super!

Essen mit Bea und Andrea … mit Tränen in den Augen gegenüber sitzen… den letzen Abend Santiago!

Der Weg war Wahnsinn …

Mein Leben ist soooo schön!

Dankbarkeit…. Zufriedenheit….viel mehr…können Worte nicht sagen!

Tag 35

Alle Erinnerungen der letzten Wochen kommen zurück. Der Beginn meiner Reise war so zaghaft und vorsichtig. Mein Abbruch des Caminos im Juli hat mich ganz schön unsicher gemacht und mir einen Dämpfer verpasst. Ob ich vielleicht doch nicht stark genug für sowas bin?

Mit jedem Schritt, mit jedem Tag, mit jedem durchquerten Ort kam die Sicherheit! Die Liebe zum Camino und das Vertrauen in mich selbst!

Jeden Morgen den Rucksack aufsetzen und nur mit dem auskommen was ich hab! Mit den vielen Menschen dasselbe Ziel haben.

Ich hatte so ein Glück mit dem Wetter, die Sonne war mein stetiger Begleiter. Die Euphorie für dieses Abenteuer wuchs ins Unermessliche und ich war so frei und glücklich einfach nur da zu sein! Noch nie war ich so lang allein unterwegs und über 24 Jahre in einer Beziehung.

In den ersten zwei Wochen kam schon so viel in mir auf, dass ich nicht wusste, wie ich meine Gedanken richtig sortieren sollte. Mein Gehirn warf Vieles wie einen wilden Sturm durcheinander … jeden Tag ein Thema, sagte ich mir! Sabrina mach jeden Tag nur ein Thema! Das war nicht einfach, es kamen auch Dinge, mit denen ich garnicht gerechnet hatte.

Ich versuchte mich zu sortieren und durch das meditative Gehen und die vielen Wochen, gelang es mir, jedem Thema nacheinander eine Zeit zu geben… manche Themen brauchten mehr als einen Tag, auch mehr als zwei!

Mit jedem Thema kamen Tränen, bedrückende und glückliche Gefühle tief im Herzen!

Ich habe bewusst gelernt Gefühle kommen und Gefühle gehen zu lassen. Luft ausatmen und damit die negativen Energien! Das hat mir so sehr geholfen! Lebensfreude!!! Tränen laufen über meine Wangen, weil ich oft so herzhaft lachen muss!

Durch das bewusste Zulassen aller Gedanken, durch das Weinen auf dem Weg und das dabei weggehen und auf etwas Neues zugehen, hab ich alles losgelassen! Stück für Stück und Tag für Tag verlor ich schwere Steine von meiner Seele!

Ich atmete, ich tanzte, ich schrie sie einfach heraus, all meine Gefühle, so konnte ich immer mehr Glück empfinden und mit Allem einen inneren Frieden machen.

Ich konnte in mir spüren, wie ich ruhiger wurde und der Sturm in mir eher zu einem seichtem Wind wurde. Spürbar aber eher wie ein warmer angenehmer Hauch, der zu mir gehörte. Der bleiben darf!

Durch all diese Erfahrungen bin ich die, die ich bin.

Ich weiß jetzt, dass die Dinge erträglicher sind, wenn man sie akzeptieren kann und sogar Stärke daraus gewinnt!

Das, was ich mir Anfangs nicht zugetraut hab, ist heute etwas für mich, was ich schmerzlich aber mit vollkommener Zufriedenheit vermissen werde! Mein Weg! Meine Erfahrungen und Begegnungen auf dem Weg! Die Routine des Weges!

Das Losgehen im Dunkeln, das klare Ziel vor Augen, immer den Pfeilen nach, die Einfachheit des Weges!

Diese wahnsinnigen Weiten der Natur, Wälder, Berge, Felder diese Bilder werd ich nie vergessen. Den ganzen Tag frische Luft. Nur ich und die Weite um mich herum!

Die Bars die schon morgens spanische Musik spielen und wir Pilger, die, die Tortillas essen, Café con leche trinken. Die glücklichen Gesichter, die mich anstrahlen, manchmal einfach nur hochschauen aber immer ein „Buen Camino“ zurufen, die Albergen, die nicht immer komfortabel sind, aber immer mit so vielen Charakteren bestückt, dass man nie allein einschläft!

Die Radler, die schon am Mittag schmecken. Die Nächte, die oft von Schnarchern und Handytönen begleitet werden aber trotzdem so erholsam sind.

Nie war ich ausgeschlafener, als auf dem Camino!

Der kühle Morgen mit jedem wunderbaren Sonnenaufgang der nur für mich am Himmel erscheint und in dessen Licht mein Gesicht so strahlend schön und gesund wirkt.

Die Kirchen, die Kirchen die mir soviel Wärme und Demut gegeben haben, die Kirche in der ich meinen Rucksack weggeschmissen und das Kreuz angeschrien hab „ Was machst du mit mir?“ schluchzend auf Knien! Und dann erklang ein Kirchenlied! Ohhh Gott hab ich geheult! Soooo geheult … laut und ganz allein. Bis es nicht mehr ging und keine Tränen mehr da waren. Dann hab ich mich bedankt und hab gehört, wie eine Stimme mir sagte: „ Du bist gut! Geh weiter!“

„ Ok, ok ich geh, ich geh weiter, hab ich geschluchzt, meinen Rucksack vom Boden gehoben, ihn auf den Rücken gesetzt und diese Kirche mit tiefer Zufriedenheit und großer Stärke verlassen! Fest entschlossen und total befreit.

In der Minute wusste ich, „Ich werde ankommen und nichts kann mich aufhalten!“ Ich hab mich endlich richtig gespürt!

Die letzten 5 km vor Santiago, die mit Cafélikör kein Problem sind, auch nicht, wenn wir zum ersten Mal die 40 km voll machen.

Drei Tage bei strömenden Regen, nass bis auf die Unterhose! Gerade der Regen wars, der mir nochmal soviel beigebracht hat! Unbesiegbar sein! Nicht aufgeben, auch wenn es noch so schwer ist! Es geht! Es geht nicht nur, es macht sogar Spaß!

Es ist zum heulen schön! Meine Reise hat mir soviel gegeben … soviele Erkenntnisse, soviele tiefe Emotionen, soviel Lachen, soviel Freiheit ….ich bin unendlich dankbar.

Nun fühlt sich der Heimweg an, wie ein schmerzendes Stechen im Herzen, von dem ich weiß, dass es dazu gehört und sein darf!

Der Alltag wird wieder kommen, aber ich werde eine Andere sein, eine Stärkere, eine Bewusstere, eine Dankbarere, eine die gut zu sich selbst ist und sich nie mehr vergisst!

Die nie mehr ängstlich ist, vor etwas so wunderbarem wie dem Jakobsweg.

Eine, die Alles schaffen kann aber nichts schaffen muss!

Sabrina David, Oktober 2022

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