Der Jakobsweg ist einer der berühmtesten Pilgerwege der Christenheit. Das heilige Grab des Jakobus in Santiago de Compostela im spanischen Galizien ist neben Rom und Jerusalem eines der drei großen Pilgerziele der Christen. Der Jakobsweg ist ein riesiges Netz aus Pilgerwegen, das ganz Europa überzieht. Für die meisten Menschen ist der Camino frances der klassische Jakobsweg. Auf 800 km verläuft er vom kleinen Örtchen Saint-Jean-Pied-de-Port in den französischen Pyrenäen quer durch den spanischen Norden bis Santiago de Compostela in Galizien.
Seit dem Mittelalter pilgern die Menschen über die Jakobswege nach Santiago. Ihre Gründe sind vielfältig. Waren früher eher Sühne und Buße die Beweggründe, sich auf den langen Weg zu begeben, sind die Gründe heute deutlich vielfältiger: “Neugier, Inspiration, Abenteuer, Spiritualität, Hilfe, Entschleunigung”. Um nur einige zu nennen. Jeder Mensch hat seinen eigenen Grund diesen Weg zu gehen.
Auch ich hatte meine Gründe diesen Weg zu gehen, hatte ich doch vor etwa einem halben Jahr meinen Radpartner und Freund verloren und war noch nicht wieder ganz in der Spur. Ein zufällig aufgeschlagenes Buch im Bad meines Studienfreundes Stefan brachte mich auf den Jakobsweg. Ob das Buch da zufällig mit den richtigen Seiten offen lag oder ob es Schicksal war, bleibt dahin gestellt. Für mich war sofort klar, wie ich dieses Kapitel verarbeiten konnte. Aber nicht nur Trauer, sondern auch die Neugier auf diesen geschichtsträchtigen Weg waren groß. Und ich war neugierig ob mich die Magie des Jakobsweges einfangen kann.
Drei Gebirgszüge müssen auf dem Jakobsweg überwunden werden: die Pyrenäen, die Montes de Leon und das Kantabrische Gebirge. Zwischen Burgos und León befindet man sich auf der Meseta, einer riesigen Hochebene in der Mitte und im Norden Spaniens. Die Strecke von den französischen Pyrenäen bis Santiago beträgt etwa 800 km mit etwas über 11.000 Höhenmetern. Ich war 11 Tage unterwegs. Dadurch, das etwa alle 10 km eine Herberge zu finden ist, kann man auch gerne kürzere oder längere Etappen fahren. Verfahren kann man sich nicht, überall sind Schilder, Pfeile, Markierungen, sei es auf der Straße oder auf dem Feldweg. Der Radfahrer kann nicht hundert Prozent dem Fußweg folgen, aber auch auf der Straße sind die Zeichen immer zu sehen. Die beste Reisezeit ist sicher das Frühjahr oder der Herbst. Im Frühjahr ist alles frisch und grün, im Herbst eher vertrocknet und karg. Ich denke jede Jahreszeit hat seinen Reiz, wobei ich den Sommer vermeiden würde, da die Temperaturen, besonders in der Meseta, wo es selten Schatten gibt, sehr heiß werden können. Man braucht keine Angst haben, diese Tour alleine zu fahren oder zu gehen. Auf dem Jakobsweg ist man definitiv nicht alleine. Jeden Tag kann man vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern begegnen. Im Jahr 2018 sind über 300.000 Menschen in Santiago angekommen. Aber keine Sorge. Auch wenn der Weg sich immer größerer Beliebtheit erfreut, kann man unterwegs immer noch genügend Einsamkeit finden, jedenfalls im Herbst. Kulinarisch darf man keine Highlights erwarten. Die Pilgermenüs sind oft einfach und nicht immer lecker, aber man verhungert auch nicht. Literatur zum Jakobsweg gibt es zuhauf. Auch das Internet ist voll von Informationen. Ich habe mich für die Tour an den Bruckmanns Radführer: “Der spanische Jakobsweg” gehalten, der extra für Radfahrer konzipiert wurde. Alle Etappen sind dort detailliert beschrieben und es wird darauf hingewiesen, wann man auf dem Fußcamino fahren kann und wann lieber nicht.
Es folgt nun mein Reisebericht dieses bedeutungsvollen, geschichtsträchtigen Weges, inklusive An- und Abreise. Ich würde ihn beim nächsten Mal nicht mehr mit dem Rad fahren, den zwei Wochen sind eigentlich zu kurz um sich vollkommen auf den Weg, sich selbst und die anderen Menschen einzulassen. Aber für einen intensiven Vorgeschmack reicht es aus.
16-19.09.2011
Inhalte
Anreise: Bremen – Saint-Jean-Pied-de-Port
Der Sommer 2011 war kein schöner Sommer. Nach einem halbwegs angenehmen Frühling und Frühsommer hat es den restlichen Sommer viel geregnet und es war viel zu kalt. Ich war voller Sehnsucht nach Wärme und freute mich auf die Reise ins noch sehr warme Spanien. Die Anreise war für mich jedoch recht umständlich. Es gab keinen Direktflug in die französischen Pyrenäen und ich wollte so günstig wie möglich anreisen.
Das bedeutete eine Zugfahrt von Bremen nach Kevelaer, einem kleinen Ort an der holländischen Grenze. Von dort wollte ich am nächsten Tag mit Ryanair vom Regionalflughafen Weeze nach Beziers in Frankreich fliegen, von dort ein Stück mit dem Rad am Meer entlang und dann mit dem Zug von Narbonne bis Orthez und dann nochmal ein Stück Rad bis Saint-Jean-Pied-de-Port.
Nach einer günstigen Übernachtung in Kevelaer flog ich also freudig aufgeregt am nächsten Morgen nach Beziers. Beziers liegt direkt an der Mittelmeerküste im Süden Frankreichs zwischen Montpellier und Narbonne. Pünktlich um halb 2 landete die Maschine im sonnigen Frankreich. Es dauerte eine Weile bis alles ausgepackt und das Fahrrad abfahrbereit war. Nach einer kurzen Stärkung mit zwei Cheeseburgern (was anderes gab es hier gerade nicht) ging es los Richtung Mittelmeer. Mein heutiges Ziel war ein kleiner Campingplatz in Narbonne Plage. Der Weg war zunächst nicht so schön. Es war irre heiß und ich fuhr überwiegend auf stark befahrenen Bundesstraßen Richtung Meer. Erst ab Valras Plage wurde es schöner, nur machte ein starker Südwestwind die Fahrt sehr langsam. Gegen halb 7 erreichte ich den kleinen Campingplatz und war froh nicht früher schon einen anderen Platz gewählt zu haben. Hier war es so schön und das Meer war gleich nebenan. Nachdem ich schnell das Zelt aufgebaut hatte, ging es ab zum Meer. Ein riesiger breiter Strand ohne Menschen. Das Wasser war so schön warm und ich genoss die Abkühlung nach einem heißen staubigen Nachmittag. Zurück am Zeltplatz folgte das übliche Prozedere: Duschen, Essen, Zähne putzen und ab ins Bett. Und ganz schnell war es wieder da: dieses Gefühl auf Reisen zu sein. Das Gefühl sich nur noch ums wesentliche kümmern zu müssen: Radfahren, sich die Welt ansehen, Zelt auf und abbauen, Essen, Lesen, Schlafen. Keine Ablenkung mehr, kein Fernsehen, keine Termine. Es fühlte sich sehr gut an und bei warmen 25°C und dem Zirpen der Grillen schlief ich dann auch sehr schnell ein.
Am nächsten Morgen war der Himmel bedeckt. Es war sehr stürmisch, aber nicht kalt geworden. Es dauerte keine Stunde und ich saß wieder abfahrbereit auf dem Rad. Die ersten Kilometer bis zum Abweig nach Narbonne verliefen mit Rückenwind und waren schnell abgehakt, dann aber drehte die Strecke in den Wind. Was dann kam, erinnerte mich an die Levante auf dem Weg nach Ronda letztes Jahr in Spanien. Es war so starker böiger Wind, dass man sich kaum auf dem Rad halten konnte. Fast zwei Stunden brauchte ich für die 19 km bis zum Bahnhof Narbonne inklusive einer zu überwindenden Hügelkette. Gut, dass ich so pünktlich losgefahren war, so dass ich noch ein wenig Zeit hatte die Stadt anzusehen, bevor der Zug Richtung Bayonne losfuhr. Nach einer mehrstündigen Zugfahrt entlang der Pyrenäen erreichte ich Orthez, wo ich schnell zum Campingplatz fuhr, etwas aß und kaputt ins Bett fiel. Der Tag war anstrengender als geplant. Das Wetter wurde schlecht und es regnete ab und zu.
Doch am nächsten Morgen sah die Welt wieder gut aus. Das Wetter war wieder schön, ich konnte meinen Rad nochmal auf Vordermann bringen lassen (die Schaltung war verstellt), bei Intermarche einkaufen und mich auf den Weg ins 65 km entfernte Saint-Jean-Pied-de-Port machen. Es war etwas kühler heute und ich fühlte mich wieder wie in Deutschland. Sanfte Hügel, saftige Wiesen mit Kühen, Häuser wie bei uns. Nur die fiesen giftigen Anstiege der welligen Ausläufer der Pyrenäen waren etwas unangenehm. Und irgendwann konnte man sie sehen, die Pyrenäen und Saint-Jean war ausgeschildert. Endlich näherte ich mich meinem Ziel, dem berühmtesten Dorf in den Pyrenäen, Ausgangsort des Camino frances, Saint-Jean-Pied-de-Port. Wie viele Menschen vor mir hier schon gestartet sind. Ein komisches Gefühl. Und nun war auch ich da. Erst wirkte der Ort sehr unspektakulär: Werkstätten, Wohnhäuser, Tankstellen, aber dann erreichter ich die Altstadt und erkannte alles sofort wieder. Ich hatte natürlich vorher Hape Kerkelings und andere Bücher über den Camino gelesen und den Weg vorher ausgiebig studiert. Und nun war ich auch da und auf einmal war alles voller Leben. Auf dem kleinen städtischen Campingplatz lauter Menschen, die sich auf den Weg vorbereiten. In den vielen kleinen Souvenirläden gab es alles was das Pilgerherz benötigt. Vor dem Pilgerbüro stand eine kleine Schlange, für die, die noch keinen Pilgerpass hatten. Ich kaufte mir nur eine Jakobsmuschel, als Zeichen des Jakobspilgers. Und nach einem miesen Pigermenü in einer Touripilgerkneipe ging die lange Anreise zu Ende. Ein wenig aufgeregt fiel ich in einen tiefen Schlaf.
Die Reise begann an einem sonnigen Septembernachmittag am Bahnhof von Bremen. Es folgten 4 Tage Anreise nach Saint-Jean-Pied-de-Port in den französischen Pyrenäen.
Einen Tag später war ich bereits im warmen Südfrankreich. Etwa eine Stunde dauerte es, bis das Fahrrad abfahrbereit war.
Und noch ein paar Stunden weiter war ich endlich am warmen Mittelmeer in Narbonne Plage.
Am nächsten Tag irgendwo am Mittelmeer zwischen Beziers und Narbonne. Im Hintergrund sieht man schon die Pyrenäen.
Nach einer längeren Bahnfahrt entlang der Pyrenäen erreichte ich Orthez. Letzter Etappenort vor dem Start.
Auf dem Weg nach Saint-Jean-Pied-de-Port. Es sah ein wenig wie in Deutschland aus. Die saftigen Wiesen, die sanften Hügel und hier und da schwarz-bunte Kühe.
Zunächst wirkte Saint-Jean-Pied-de-Port recht unspektakulär.
Die Altstadt von Saint-Jean-Pied-de-Port.
20.09 – 30.09.2011
Saint-Jean-Pied-de-Port – Pamplona
75 km, 1500 Hm
Erste Etappe des klassischen Jakobsweges durch die Pyrenäen. Die erste Bewährungsprobe wartet gleich zu Beginn des Jakobsweges mit einem hohen Pass hinter der französisch-spanischen Grenze.
Endlich ging es los. Der Camino und Spanien warteten auf mich. Dichter Nebel lag morgens über dem Campingplatz. Meine Zeltnachbarn aus Eckernförde waren bereits aufgebrochen, während ich noch am zusammenpacken war. Im Pilgerhaus holte ich mir meinen ersten Stempel. Den Pass hatte ich bereits vorher in Deutschland beantragt. Man bekommt ihn aber auch hier vor Ort. Ohne diesen Pass ist die Reise nicht offiziell und man bekommt am Ende keine Urkunde. Jeden Tag muss man mindestens einen Stempel in einer Herberge sammeln und auf den letzten 100 km (bzw. 200 km mit Rad) zwei Stempel pro Tag. Ich hatte nun meinen ersten Stempel und konnte mich an einem kühlem Morgen voll motiviert auf den Weg machen. Während die Fußgänger mühsam auf schmalen steilen Wanderpfaden direkt über die Pyrenäen steigen müssen, nehmen die Radfahrer die Nationalstraße. Erst wellig, dann immer steiler führte sie hinauf. Der Grenzübergang nach Spanien war völlig unspektakulär, die Landschaft dafür grandios. Nach knappen 3 Stunden hatte ich den Ibaneta Pass auf 1057 m Höhe erreicht. Ja, etwas anstrengend war es schon, aber ich bin mit dem schweren Gepäck gut raufgekommen. Am Pass sah ich die ersten “Touri” Pilger. Ein Reisebus hielt oben am Pass, Asiatisch aussehende Touristen stiegen aus, fotografierten die Kapelle und die Umgebung und verschwanden kurze Zeit später wieder in ihren Bus, der zügig weiterfuhr. Nach einer kurzen Rast und einigen Fotos später machte ich mich auf ins 2 km entfernte Roncesvalles, das erste Etappenziel der meisten Pilger. Ein altes Augustinerkloster, welches von einem Restaurant, einem Hotel und einer Touristinfo umgeben war. Ein Stempel von hier war Plicht. Dieser Ort ist bekannt für die Schlacht von Roncesvalls im Jahre 778, bei der die letzten Truppen Karls des Großen auf dem Rückweg eines Schlachtzuges von baskischen Truppen vernichtet wurden. Ein großer Stein am Pass erinnert an diese berühmte Schlacht.
Während ich bei mittlerweile strahlendem Sonnenschein auf der Treppe des Klosters mein Brötchen aß, traf ich einen Pilger aus Kiel. Ein Mensch, der sein ganzes Leben aufgegeben, alles verkauft hatte und nun hier auf dem Jakobsweg den Weg in ein neues Leben suchte. Ich war beeindruckt von dem Mut dieses Mannes.
Nach der Pause ging es für mich weiter. Bergab ins eine Stunde entfernte Pamplona. Auf dieser Seite der Pyrenäen war es wieder warm, eher heiß und ich freute mich auf die Kühle der Stadt. Ich sah viele Rennradfahrer und auch ein Pilgerpärchen auf Rädern, doch sah ich sie danach nie wieder. Gegen 5 erreichte ich die Touristinfo auf der Suche nach der städtischen Pilgerherberge. Heute stand somit meiner erste echte Pilgernacht bevor. Das Gebäude in der Innenstadt hatte einen riesigen Saal. Auf zwei Etagen jeweils 55 Betten. Eng zusammengepfercht und der Raum voller Menschen. Zum Glück hatte ich ein Bett oben in der zweiten Etage bekommen, wo etwas weniger “Durchgangsverkehr” war. Im Bett neben mir quartierte sich gerade ein junger gutaussehender Franzose ein, doch sprach ich mit ihm kein Wort. Nach einer angenehmen Dusche sah ich mir aber erst noch die Altstadt an. Pamplona ist eine Stadt voller Leben. Die Plätze sind abends so voller Menschen, sie saßen draußen in den Restaurants und Bars, Musik ertönte aus den Kneipen und Jugendliche saßen in vielen Grüppchen auf der Straße. Die Menschen hier leben viel mehr draußen als bei uns. Kein Wunder bei dem Wetter. Bei 12°C an einem kalten Septembertag möchte ich nicht in Bremen draußen sitzen. Ich sah mir das Nachtleben noch eine Weile an und ging dann müde von der langen Fahrt zurück zur Herberge und versuchte zu schlafen.
Durch das Stadttor und dann über diese Brücke über den Fluss Nive. Hier beginnt der klassische Jakobsweg.
Und bei kühlen 11°C an einem nebeligen Morgen begann meine Pilgerreise.
Während die Pilger den mühsamen Weg direkt über die Pyrenäen wählen, fahren die Radfahrer auf der wenig befahrenen Nationalstraße Richtung Spanien.
Bilder der Auffahrt zum Ibaneta Pass.
Der Ibaneta Pass. Oben auf über 1000m Höhe eine kleine Kirche und ein Stein, zum Andenken an die Schlacht von Roncesvalles. Die kleine Kirche leutete damals für die Pilger, die im Nebel den Weg auf den Pass suchten. Dieser Pass ist klimatisch der kälteste und nebeligste des Camino francais. Heute war das Wetter jedoch grandios.
Das Augustinerkloster von Roncesvalles. Die erste Herberge auf dem Pilgerweg.
Mich führte der Weg jedoch weiter. Nicht bis Compostela, aber ins insgesamt 77 km entfernte Pamplona.
Leicht begab ging es durch eine wunderschöne, verkehrsarme Gegend Richtung Pamplona.
Während alleine auf der Straße noch kein richtiges Pilgergefühl aufkam, traf ich auf eine Ecke, wo der Pilgerweg die Straße quert. Ich war also doch nicht alleine unterwegs, ich sah sie nur nicht.
Eine grandiose grüne Landschaft in den südlichen Ausläufern der Pyrenäen.
Die ersten Vororte der Stadt.
Pamplona, Hauptstadt von Navarra, berühmt für seinen umstrittenen San Fermin, dem Stiertreiben durch die engen Gassen der Stadt im Sommer. Pamplona ist eine sehr lebendige Stadt. Bis spät abends tummeln sich die Menschen draußen, auf der Straße, in den Bars und Parks. Mir gefiel die Stadt.
Die städtische Herberge (Jésus y María) von Pamplona. 114 Betten auf 2 Etagen. Man beachte die Fußmassagemaschine.
21.09.2011
Pamplona – Los Arcos
75 km 1100 Hm
Durch die Provinz Navarra mit Besuch der romanischen Kirche Santa Maria de Eunate und der berühmten Brücke in Puente de la Reina, wo sich zwei französische Jakobswege zum Camino frances vereinigen. Dazwischen sanftes Hügelland umgeben von einigen Bergzügen, wie der Sierra del Perdon. Kurz vor Abschluss wartet der kostenlose Weinbrunnen des Klosters Irache.
Kurz vor 8 Uhr morgens. Ich wünschte mir mein Zelt zurück. 114 Menschen in einem offenen großen Saal machten doch ganz schön viele Geräusche. Ich konnte nicht einschlafen und schlief auch sehr schlecht. Und schon vor 6 wurde es unruhig im Saal. Die Pilger standen auf, packten zusammen, machten dabei Lärm und ich konnte nicht mehr schlafen. Warum rennen die so früh los? Sie haben doch den ganzen Tag Zeit für ihre Etappen. Ich verstand die Welt nicht. Mein gutaussehender Franzose war auch schon weg. Den sehe ich wohl nie wieder. Ich stand in Ruhe auf, packte zusammen, suchte mir eine Panaderia und einen Supermarkt und fuhr dann gemütlich los.
Während die Fußgängerpilger hinter Pamplona über den Alto del Perdón wanderten, einem Bergrücken mit toller Aussicht und schönen Pilgerfiguren am Gipfel, fuhren die Radfahrer etwas weiter östlich auf einer kleinen schönen Nebenstraße. Sie verlief einsam durch Hügelland mit abgeernteten Feldern. Nach dem überqueren der Ausläufer des Perdón folgte ein kurzes Stück Schnellstraße mit wenig Verkehr und weiter ging es auf einer gut ausgebauten, mäßig befahren Straße Richtung Puente de la Reina. Vorher stattete ich jedoch der kleinen Kirche Santa Maria de Eunate einen kurzen Besuch ab. Die Kirche stammt aus dem 12. Jhdt. und ist eine der weniger Kirchen am Jakobsweg, die im romanischen Stil erbaut wurde. Der achteckige Grundriss erinnert an die Grabeskirche von Jerusalem, doch aus welchem Grund diese Kirche hier wirklich erbaut wurde ist bis heute unklar. Hier traf ich wieder auf Bustouristen, die die friedliche und meditative Ruhe störten, aber auch schnell wieder verschwunden waren. Wenigstens wusste ich danach, dass man die Kirche dreimal umrunden muss. Den Grund dafür hatte ich zwar nicht rausgefunden, aber ich dachte mir, es kann ja nicht schaden es auch zu tun.
Gegen Mittag erreichte ich Puente de la Reina. Ein kleiner Ort, mit einer wunderschönen alten Steinbrücke. Hier auf der Brücke über den Fluss Arga vereinigen sich die zwei französischen Jakobswege aus den Pyrenäen zum offiziellen Camino frances. Ich holte mir einen Extrastempel, aß Tapas zum Mittag und machte mich weiter auf den Weg. Die ersten Pilger standen schon vor der hier ansässigen Herberge und warteten auf Einlass. Laufen sie etwa so früh los, weil sie unbedingt ihr Bett sichern wollen, so wie die Deutschen im Pauschalurlaub morgens um halb 6 ihre Liegen am Pool reservieren? Oder wollen sie durch das frühe Ankommen das Laufen in der Nachmittagshitze vermeiden? Ich wusste es noch nicht. Ja, und manchmal trifft man sich doch wieder. Kurz hinter Puente traf ich den Franzosen aus der Herberge wieder, der sich jedoch als Belgier vorstellte. Wir unterhielten uns kurz über das woher – wohin und schon ging jeder wieder seinen eigenen Weg. Wir trafen uns aber bald wieder, denn ich wählte statt der Straße den Fußweg und der endete in einem steilen Schotteranstieg. Ich musste mühsam schieben. Kurz bevor ich die Straße erreichte, holte er mich wieder ein und half mir die restlichen Meter zu schieben. Das fand ich sehr nett. Bei einer kurzen Rast am Ende des Anstieges unterhielten wir uns etwas ausführlicher. Er war bereits Anfang August in Belgien gestartet und wollte bis Finisterre laufen, dem Ende der Welt etwa 100 km westlich von Santiago. Dort wo das Meer beginnt. Deswegen war er auch so unglaublich schnell unterwegs, waren seit Pamplona doch schon etliche Kilometer vergangen.
Der Weg von Puente bis Los Arcos war phänomenal. Eine weitläufige hügelige Landschaft, dominiert von abgeernteten Felder die von schönen Sierren umgeben waren. Bis Los Arcos hatte ich die wenig befahrene Nationalstraße nicht mehr verlassen. Hinter Ayegui befand sich das Benediktinerkloster Monasterio de Santa Maria de Irache. Das besondere an diesem Kloster ist die danebenliegende Weinkellerei Bodegas Irache. Sie ist berühmt für den Fuente del Vino, einem öffentlichen Weinbrunnen, an dem die Pilger ihren Durst löschen können, ohne dafür etwas bezahlen zu müssen. Eine tolle PR Idee, die in jedem Buch über den Jakobsweg verzeichnet steht. Ich mag keinen Wein, aber einen winzigen Schluck hatte auch ich probiert, bevor ich mich auf die letzten Kilometer nach Villamayor de Monjardin, meinem eigentlichen Tagesziel aufmachte. Leider kam ich zu spät, den die Herberge in dem kleinen Nest war bereits voll. Die nächste in Los Arcos war etwa 12 km entfernt. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich wieder auf den Sattel zu schwingen und weiter zu radeln. Ein älterer Pilger, der ebenfalls abgewiesen wurde, tat mir etwas Leid. Er müsste entweder die 12 km zu Fuß gehen und hätte mit Sicherheit zwei weitere Stunden Fußmarsch vor sich oder er fand ein teures Pensionzimmer. Ich vermutete, dass das frühe Loslaufen doch der Grund vieler Pilger ist, so früh wie möglich ein Bett zu bekommen.
Die Pilgerherberge in Los Arcos war viel kleiner als in Pamplona. Ein freundlicher belgischer Mitarbeiter wies mir ein Bett in einem 4 Bett Zimmer zu. Das wird mit Sicherheit eine angenehmere Nacht als die vorherige. Mit einer eiskalten Cola (es war heute ziemlich heiß in der Sonne) legte ich mich erstmal kaputt und zufrieden auf die grüne Wiese vor der Herberge und genoß die Sonne. Am Abend sollte in der nahegelegenen Kirche die Messe stattfinden. Ich wollte eigentlich dorthin gehen, aber beim Abendessen im gegenüberliegenden Restaurant traf ich Rico. Rico kam aus Frankfurt, war irgendwas zwischen 20 und 25 Jahre alt, ohne Ausbildung und in der Drogenszene Frankfurts versackt. Er war auf dem Jakobsweg, um von Gott geführt zu einem neuen Leben zu finden. Ich war beeindruckt von seiner Geschichte. Bis halb 10 abends saßen wir zusammen und redeten über Gott und die Welt. Nachdem wir uns am späten Abend verabschiedet hatten, blieb mir das Gespräch noch lange Zeit im Kopf. Was für ein Tag voller Begegnungen. Und genau das ist der Camino. Es sind die zwischenmenschlichen Beziehungen, die ihn so interessant machen. Man trifft jeden Tag Menschen und kommt immer wieder mit ihnen ins Gespräch. Es sind schöne, interessante Begegnungen, die es so im normalen Leben eher selten gibt.
Gegen 8 Uhr war auch ich abfahrbereit. Die andere Radlerin, eine etwas ältere Dame hatte ich schnell wieder aus den Augen verloren.
Rückblick auf Pamplona. Pamplona liegt auf einer kleinen Hochebene, umgeben von den Pyrenäen und weiteren Bergzügen.
Die Landschaft hinter Pamplona ist wellig und weitläufig. Abgeerntete Felder prägen das Bild mit umgebenden Höhenzügen.
Der Alto de Perdón. Der offizielle Weg für die Fußpilgerführt über diesen Berg parallel zu den Windmühlen. Oben wird der Pilger mit einem wunderschönen Ausblick und vielen Pilgerfiguren belohnt. Für normale Fahrräder ist der Weg nicht geeignet.
Abgeerntete Felder im sanften Hügelland.
Die romanische Kirche Santa María de Eunate, wenige Kilometer vor Puente la Reina.
Der achteckige Bau erinnert an die Grabeskirche in Jerusalem, die doppelten Bögen und Säulen erinnern an die Templer. Die Fassade ist voller Fratzen, Figuren und Symbole. Woher die Kirche wirklich stammt, weiß bis heute keiner genau. Aber sie ist schon etwas besonderes und das dreimalige Umrunden der Kirche hat irgendeine Bedeutung, die ich nie herausgefunden habe.
In Puente la Reina führen zwei große Jakobswege zusammen. Der navarrische Weg von Saint-Jean-Pied-de-Port und der Aragonesische Weg von Somport, welches weiter östlich in den Pyrenäen liegt. Aber hier beginnt der Camino Frances ganz offiziell.
Berühmt ist Puente la Reina für die romanische Brücke über den Fluss Arga. Sie wurde im 11. Jhdt. von der Königin Dona Mayor, der Gattin des Königs von Pamplona gestiftet und sollte den Pilgern den Weg vereinfachen.
Nach Überquerung der Brücke ging der Weg weiter Richtung Estella.
Ich entschied mich ein Stück auf dem Fußgängerpilgerweg zu fahren. Hier war es irgendwie schöner, als auf der Straße. Ein steiler Anstieg am Ende dieses Weges zeigte aber, wie ungeeignet die Fußgängerrouten manchmal für Radfahrer sind. Hier traf ich den Belgier aus der Herberge wieder, der mir half, das schwere Rad hochzuschieben.
Impressionen am Wegesrand.
Wieder auf der Straße Richtung Estella. Das Dorf Lorca im Hintergrund. Die Straße verläuft parallel zur Autobahn, und deswegen war hier kaum Verkehr.
Die romanische Brücke in Estella ist ebenso ein wahrer Hingucker. Die meisten kleinen Dörfer, die direkt am Jakobsweg liegen, profitieren seit Jahrhunderten vom Durchzug der Pilger.
Das nächste Highlight ist der “Fuente de Irache”. Kurz hinter Estella befindet sich das ehemalige Bendiktinerkloster Santa Maria la Real de Irache mit der angrenzenden Weinkellerei. Jeder Pilger darf sich ein wenig Wein vom öffentlichen Brunnen für den Augenblick abzapfen.
Die Herberge in Los Arcos. Die Herberge war viel kleiner und gemütlicher als in Pamplona und ein Vierbettzimmer lässt einen auf mehr Ruhe hoffen.
Die Kirche von Los Arcos mit ihren für Spanien typischen prunkvollen goldenen Verzierungen. Aber anstatt abends in die Messe zu gehen, hatte ich den ganzen Abend mit dem Frankfurter Rico auf dem Kirchplatz gesessen und über Gott und die Welt geredet.
22.09.2011
Los Arcos – Azofra
65 km, 900 Hm
Die Nacht war hundertmal besser als die vorherige. Es war so viel ruhiger in der Nacht und am morgen waren meine unbekannten drei Mitbewohner schon auf leisen Sohlen aus dem Zimmer geschlichen. Gegen viertel nach 8 war auch ich abfahrbereit. Mit mir startete auch eine schwäbische Radlerin, die ich aber erstmal wieder aus den Augen verlor. Beim Start traf ich Rico an der Straße und wir wünschten uns ein fröhliches “Buen camino” und schon trennten sich unsere Wege wieder.
Der Morgen war wunderschön. Die tief stehende Sonne zauberte ein unglaublich schönes Licht auf die fast endlose Weite. Im Hintergrund eine Sierra mit einer dunklen Abschirmung am Himmel und es war so still. Das ist das besonders schöne an Spanien. Diese Weite. Man kann so weit sehen, manchmal sieht man fast nichts, außer dem Horizont. Und sobald es etwas welliger wird, entstehen hinter jeder Kuppe neue Eindrücke, neue Sichtweisen.
Auf dem Weg nach Logrono sehe ich ab und an einige Radpilger, die Schwäbin von heute morgen, eine Asiatin und einige spanische Radfahrer. Logrono ist die Hauptstadt der Provinz La Rioja. Hier kommt der berühmte spanische Wein her und jetzt im September ist der Wein kurz vor der Lese. Überall standen Weinstöcke mit saftigen blauen Trauben und ich bedauerte wieder mal, das ich keinen Wein trinke. Eigentlich wollte ich die Stadt schnell durchqueren, aber im Stadtzentrum fand gerade eine Fería statt, “San Mateo”, das große Fest der Weinlese. Der Marktplatz und die Innenstadt waren voller Menschen. Vor einem riesigen Kochtopf auf dem Marktplatz stand eine riesige Schlange von Menschen. Ich hätte zwar auch gerne etwas probiert, aber die Wartezeit erschien mir zu lang. Deswegen sog ich für eine Weile die Stimmung auf, machte Fotos, wurde selber fotografiert (“Bist du eine pelegrina?”) und sah mir kurz die Kathedrale an. Danach machte ich mich weiter auf den Weg. Kurz hinter Logrono fand ich einen hübschen See für meine Mittagspause. Angenehm war es im Schatten der kühlen Bäume, obwohl es heute nicht mehr so heiß war wie gestern. Kurz hinter dem See traf ich die Schwäbin wieder und wir wechselten wieder ein paar Worte. Zusammen fahren wollten wir aber nicht und so trennten sich auch hier wieder unsere Wege. Die restliche Strecke bis Azofra verlief fast ausschließlich auf der N-120. Zunächst eine wenig befahrenen Nationalstraße, aber irgendwann fiel die parallel verlaufene Autobahn weg und der Verkehr wurde deutlich stärker. Ich fokussierte meinen Blick mehr auf das Kantabrische Gebirge, welches im Norden immer deutlicher auftauchte. Zwischendurch naschte ich hier und da eine Weintraube und schon war ich in Azofra angekommen. Azofra war ein kleines Nest inmitten von Weinfeldern. Unspektakulär, klein, mit einem kleinen Supermarkt und einer städtischen Pilgerherberge. Es gab hier nicht viel zu sehen und ich traf heute auch keine interessanten Menschen. Azofra wird mir nicht in bester Erinnerung bleiben. Das 5-Bett-Zimmer in einem alten Anbau der Herberge war dunkel und spartanisch. Wenigstens das Bett war schön weich. Das Pilgermenü im Restaurant war extrem übel. Makkaroni mit Tomatensoße aus der Mikrowelle, Seehecht der triefend in matschigen Pommes schwamm. Wenigstens beim Fertigjoghurt konnten sie nichts falsch machen. Wer auf eine kulinarische Lustreise gehen möchte, darf nicht die Pilgerrestaurants besuchen. Nach dem Essen spazierte ich noch ein wenig durch den trostlosen Ort und beendete damit diesen Tag.
Die tief stehende Sonne zauberte ein wunderbares Licht auf das weitläufige Land.
Grenzenlose Weite. Am Horizont ganz weit weg ein Gebirgszug. Wer sowas liebt ist in Spanien gut aufgehoben.
Viel geradeaus ging es auf der kaum befahrenen Nationalstraße nach Torres del Rio.
Torres del Rio konnte man bereits lange vor Ankunft sehen, so weitläufig ist das Land hier.
Heute sah ich wenige Pilger, aber dafür viel Wein.
Hier fuhr die asiatische Pilgerin stoisch durch die Weinberge der La Rioja.
Pilger, die parallel zur Straße unterwegs waren.
Kurz vor Logrono.
Am Weg nach Logrono ist auch der kleine Verkaufsstand, der einst Dona Felisa gehörte, einer alten Dame, die über viele Jahre die Pilger mit Getränken und Andenken und einem Stempel versorgte. Ihr Name stand in jedem Reiseführer und wurde von Hape Kerkeling erwähnt. Sie starb schon vor vielen Jahren, aber ihre Kinder haben die Familientradition fortgesetzt. Ein Stempel ist hier ein Muss.
Man braucht sich auf dem gesamten Weg keine Sorgen um die Navigation machen. Ich habe noch nie so einen gut ausgeschilderten Weg gesehen. Überall sind die Zeichen Jakobs zu sehen. In den Städten folgt man immer den Markierungen auf dem Boden oder gelben Pfeilen, die an Wände und Zäune gemalt sind. Über den Rio Ebro ging es hinein in die Stadt Logrono.
In der Innenstadt fand gerade San Mateo statt, das Weinlesefest.
Nach kurzem Verweilen fuhr ich wieder aus der Stadt raus, weiter unterwegs auf dem Camino.
Im Schatten der Bäume machte ich eine Pause am Embalse de la Grajera, kurz hinter Logrono.
Ich traf meine Schwäbische Radlerkollegin wieder und wir wechselten ein paar Worte, bevor sich jeder wieder auf seinen eigenen Weg machte.
Im Hintergrund das Kantabrische Gebirge, im Vordergrund viel grün, etwas Landwirtschaft, aber sonst ist hier wenig los.
Am späten Nachmittag erreichte ich Azofra, ein kleines Nest irgendwo in der Rioja.
Die städtische Herberge.
Einfaches, spartanisches Bett in einer dunklen Absteige.
23.09.2011
Azofra – Burgos
85 km, 1100 Hm
Weiter ansteigend geht es vorbei am Hühnerwunder in Santo Domingo de la Calzada zu den Montes de Oca. Sie stellen die geographische und klimatische Trennlinie zwischen der Rioja und Kastilien dar. Das Ziel ist die Stadt Burgos mit seiner imposanten Kathedrale.
Die Nacht hatte ich trotzdem sehr gut geschlafen. Die drei Italiener, die mit mir das Zimmer teilten, waren freundlich und vor allem leise. Sie waren früh aufgestanden und längst unterwegs, als ich gegen 7 aufwachte.
Mein erstes Tagesziel war das 12 km entfernte Santo Domingo de la Calzada, welches ich gestern eigentlich anvisiert hatte. Bis dorthin nahm ich wieder die Nationalstraße N120. Doch zunächst legte ich kurz hinter Azofra meine erste Frühstückspause ein. Mitten in den Weinbergen, die weiterhin die Landschaft dominieren. Und genau als ich nach Osten blickte, lugte im selben Augenblick der erste Sonnenstrahl über einem Bergrücken hervor. Was für ein magischer Moment. Und drumherum war alles so friedlich und nur die Vögel zwitscherten ihr Morgenlied. Schnell stieg die Sonne auf und verschwand hinter Wolken. Die Straße nach Santo Domingo war nicht so der Hit. Bereits morgens brausten viele LKW’s auf der Straße, aber der breite Randstreifen ließ ein erträgliches fahren zu.
Das Highlight in Santo Domingo ist die gotische Kathedrale mit ihren Hühnern. Der Legende zufolge wurde ein junger Pilger zu Unrecht in der Stadt gehenkt, weil er sich nicht von einer Magd verführen lassen wollte und sie ihm aus Rache des Diebstahls bezichtige. Der Sohn zum Tode verurteilt, setzten die Eltern ihre Reise ohne ihn fort und fanden auf dem Rückweg von Santiago ihren Sohn immer noch lebend am Galgen, den der Apostel trug ihn die ganze Zeit auf seinen Schultern. Der Richter glaubte das Wunder nicht und sagte; dass der Sohn so lebendig sei, wie die beiden gebratenen Hühner auf seinem Teller. Daraufhin erwachten die Hühner und flogen davon. So entstand das Hühnerwunder und zur Erinnerung an diese Sage werden in der Kathedrale ein Huhn und eine Henne gehalten und wenn sie krähen, bringt das dem Pilger Glück für den weiteren Weg.
Und tatsächlich, gleich neben dem Eingang sah man zwei echte Hühner in einem großen Käfig (nach Angaben werden die Hühner täglich ausgewechselt). Sie krähten aber nicht. Nachdem ich mir ausführlich die beeindruckende Kathedrale samt 70 m hohen Glockenturm angesehen habe, führte mich der Weg weiter auf dem Fußgängercamino (die Straße war nun zu stark befahren) Richtung Burgos. Die Weinfelder sind seit Santo Domingo abgeklungen. Nun näherte ich mich der Provinz Kastilien und León. Die Landschaft wurde wieder von abgeernteten Feldern dominiert. Nach einer Weile wechselte ich auf die stets parallel verlaufende N-120. Hier fuhr es sich doch etwas angenehmer als auf dem Schotter. Hinter Villafranca Montes de Oca verließ ich den Camino, der auf steilen und schottrigen Pisten durch den bewaldeten Bergrücken der Montes de Oca verläuft. Ich traute mich nicht, diesen Weg zu nehmen, da mein Reiseführer von großen Anstrengungen und steilen Schotterpassagen berichtete und blieb auf der Straße, die mich über den 1150 m hohen Pass La Pedraja führte. Nach einer kurzen Pause auf einem Rastplatz, auf dem schwarze Kaninchen rumsausten, ging es leicht bergab Richtung Burgos. Die Straße wurde immer unspektakulärer, der Gegenwind immer stärker. Die kerzengerade Einfallstraße in die Stadt war schlimm. Industrie tauchte auf, Schornsteine, aus denen schwarze Rauch über die Straße wehte, der Verkehr wurde immer schlimmer und meine Augen brannten. Irgendwann erreichte ich endlich die Altstadt und fand schnell die Pilgerherberge neben der großen Kathedrale. Ich traf ein paar spanische Radpilger, die ebenfalls heute morgen in Azofra gestartet warten. Sie sahen ziemlich kaputt aus. Wohl gut, das ich den Abstecher in den Bergen nicht mitgenommen hatte. Nachdem ich mein Bett zugeteilt bekommen hatte, duschte ich mir schnell den Schweiß und den Dreck des Tages ab und besuchte die Kathedrale. Der Kathedrale von Burgos sollte jeder Pilger einen Besuch abstatten. Sie gehört zu den größten und schönsten Kirchen Spaniens und steht auf der Liste des UNESCO Weltkuturerbe. Von außen gefiel sie mir allerdings deutlich besser als von innen.
An diesem Abend hatte ich keine Lust auf Gesellschaft. Ich gönnte mir einen mittelmäßigen Döner, spazierte etwas durch die Stadt und gingzurück zur Herberge. In der sehr modernen mehrstöckigen Herberge teilte ich mir mit 40 anderen Menschen einen Schlafsaal. Trotz der Menge war es sehr leise und ich konnte wieder gut schlafen, Das Lichtproblem wurde hier sehr einfach gelöst: um halb 11 abends wurde das Licht gelöscht und morgens um 6 ging es wieder an, So gab es keinen Streit, aber von ausschlafen konnte auch keine Rede sein. War aber nicht schlimm, den auch als Radpilger steht man mittlerweile gegen 6, halb 7 auf und freut sich, in den Sonnenaufgang zu fahren.
Morgens um 8 war das Rad wieder bepackt und abfahrbereit.
Morgens beim Sonnenaufgang irgendwo in der Rioja. Ein wunderbarer, stiller und magischer Moment.
Der Glockenturm der Kathedrale in Santo Domingo de la Calzada.
Die Kathedrale ist berühmt für das Hühnerwunder und man kann bis heute den Hahn und die Henne bestaunen.
Die Kirche ist reich an detailierten Steinmetzarbeiten und Kunstwerken.
Blick vom Kirchturm auf den Marktplatz.
Und auf die Weite des Umlandes.
Der Pilgerweg verläuft lange Zeit parallel zur Nationalstraße N-120.
Pause in Granon, dem Dorf der Katzen.
Hinter Santo Domingo ging die vom Weinanbau dominierte Landschaft wieder in eine weitläufige hügelige Landschaft über, die von abgeernteten Feldern dominiert ist.
Zwei einsame Pilger unterwegs.
Landschaftswechsel. Hoch geht es hinauf über die Montes de Oca. Ich blieb lieber auf der Straße. Der Fußgängercamino verlief abseits auf steilen Schotterpisten irgendwo durch den Wald.
Auf dem Pass.
Kurz vor Burgos fing es an hässlich, stinkend und laut zu werden.
Das Stadttor Arco de Santa Maria ist das Wahrzeichen der Stadt. Hier wurde es wieder lebendig und schön.
Die Kathedrale von Burgos ist riesig und sehr beeindruckend.
Die Westfassade der gotischen Kirche. Man fühlte sich sehr klein vor dieser imposanten Kathedrale.
Auch diese Kathedrale ist von innen ein Hingucker und man kann sehr vieles entdecken.
Die Kirche San Esteban vor der großen Kathedrale.
Die Herberge von Burgos liegt direkt neben der Kathedrale und verlangte nur 4 Euro für eine Nacht. In der Regel zahlt man zwischen 4 und 10 Euro für eine Nacht. Meist war der Betrag einstellig.
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Autorin:Ich heiße Karin, lebe in Delmenhorst bei Bremen und reise sehr gerne mit Rad und Gepäck, teils mit Partner aber auch immer wieder gerne alleine. Auf meinem Blog stelle ich meine gefahrenen Radstrecken in Deutschland und Europa vor. Vielleicht ist ja der ein oder andere Tipp für euch dabei.