Pilgern im Schnee

Nach der ersten Wanderung auf dem Camino Francés im Sommer letzten Jahres und nach der Rückkehr war ich geistig immer noch dort. Hatte mich deswegen entschlossen, noch eine Wanderung vor Ende des Jahres zu unternehmen. Die Wetterprognose hatte anfangs einen goldenen Herbst versprochen.

Dann gab es einen drastischen Wetterwechsel – erst Dauerregen, ein Gewitter und einen Temperatursturz. Über 1000m führte die Wanderung durch den Tiefschnee.. die Tour war eine kostengünstige Alternative zu Himalaya Trekking.

 

Die Provinz Asturien

Die ersten Etappen durch Asturien

[25.11.2012] Oviedo, die Hauptstadt der Region

Fahrt

Zum Startpunkt des Camino Primitivo fahre ich auch wieder mit dem Fernbus von Karlsruhe – insgesamt bin ich 24 1/2 Stunden unterwegs. Mit dem Bus fahren hauptsächlich Spanier und Portugiesen die wegen Job nach Deutschland gekommen sind und zurück in die Heimat fahren.
Ein Spanier erzählt, ihm und den anderem mit denen er unterwegs ist, wäre eine Arbeit in Frankfurt angeboten worden, weshalb er die weite Reise auf sich genommen hat. In Frankfurt dann vor Ort wurde ihnen gesagt, momentan brauchen die dann doch niemand, sie wären umsonst angereist. Der Spanier fährt weiter als ich, zurück nach Malaga, das mit dem Bus noch eine Tagesreise länger dauert.

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Oviedo scheint bei den Spaniern ein touristisch ziemlich beliebter Ort zu sein.

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Sehr viele sind unterwegs, zu sehen gibt es unzählige Kirchen, den Dom, ein Kloster, sehr viele Bars und Restaurants. Vor allem überfüllt ist das Zentrum mit Marktständen bei dem vor allem.. Schuhe verkauft werden. Und ziemlich billig, hätte mir das sparen können die schon vorher für die Tour zu besorgen.

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Abends in der Herberge kommen noch zwei Franzosen an, die erzählen dass sie schon einige Tage unterwegs sind, auf dem Camino del Norte von Frankreich aus. Dort war kaum jemand unterwegs weswegen sie sich entschieden haben auf den anderen Weg zu wechseln. In den 10 Tagen wäre ich erst der dritte Pilger, den sie unterwegs treffen.

 

[26.11.2012] Von Oviedo nach St. Jean de Villapanada

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Die erste Etappe führt in Serpentinen aufwärts an Rinderweiden vorbei, im Hintergrund schneebedeckte Berge. Eine idyllische Landschaft wie in Österreich in den Alpen. Dort treffe ich die zweite Pilgergruppe, zwei Spanierinnen – eine aus Madrid und eine aus Mallorca. Die erzählen, für Spanier ist diese Region Asturien die ‘kleine Schweiz’, finde ich recht passend.

Kastanien

Abwärts geht es dann zu einem mäandernden Fluss hinunter. Auf dem Weg finde ich eine große Menge an Esskastanien, kann einige unterwegs sammeln. Im Sommer konnte ich mich auf dem Camino teils den ganzen Tag von Brombeeren ernähren. Ich hatte mich damals gefragt, wovon sich der ‘primitive’ Pilger im Winter ernähren kann – die Frage ist damit beantwortet.

Irgendwo bin ich dann falsch abgebogen – lange Zeit keine Wegmarkierungen mehr. Aber statt mich verirrt zu fühlen bekomme ich eine Art spirituelle Erleuchtung:
Auch wenn man nicht vorgegebenen Wegen folgt, solange man weiß wohin man will ist man immer auf dem richtigen Weg. Der Camino ist überall. Zu ergänzen wäre natürlich, dass ich mit GPS und der Smartphone-Wanderkarten-App immer weiß, ob die Richtung stimmt, oder ob ich lieber umkehren sollte.

Penaflor

Kurz vor der nächsten größeren Stadt, Grado, führt der Weg zwischen hohen Felsen hindurch, zunehmender Regen macht den Nachmittag etwas ungemütlich. Praktisch, dass der Rucksack, den ich mit ausgeliehen habe, einen integrierten Sackschutz hat, damit der Inhalt weitgehend trocken bleibt.
Abends in der Herberge, die etwas vom Camino entfernt liegt, treffe ich die zwei französischen Pilger wieder, die schon einige Zeit vor mir angekommen sind.

Dann taucht auch der Hospitalero auf um die Pilgerausweise zu stempeln. Er will unsere Reiseführer sehen – ich zeige ihm meine Liste mit den Herbergen, mehr habe ich nicht.. Der Hospitalero holt einen Ordner und zeigt mir Etappenbeschreibungen zum Camino, dann schreibt er mir eine Liste mit Etappenvorschlägen auf bis Santiago. Nimmt sich dafür viel Zeit, ziemlich hilfsbereit.

Danach backen und teilen wir die Kastanien – später, um halb Zehn abends, tauchen die zwei Spanierinnen noch mit einem spanischen Pilger zusätzlich auf. Um diese Uhrzeit war es schon 2 Stunden dunkel und es gab Starkregen – vorher hatten sie in Grado nach einem Hotel gesucht, waren aber wegen der Jahreszeit alle geschlossen.

Nachts fröstelt es ziemlich – die 3 spanischen Pilger teilen sich zum wärmen zwei nebeneinander liegende Betten.

 

[27.11.2012] Von San Juan de Villapanada nach Bodenaya

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Der Tag beginnt mit viel Regen, der Camino führt zum großen Teil über rutschige Lehmpfade, zwischendurch an einem Kloster vorbei – ein paar mal kann ich mich beim Rutschen abfangen, einmal nicht und lande in einer tiefen Schlammpfütze.
Eine Stunde später komme ich an einem Brunnen, ‘Fuente de Santiago’ vorbei, kann dort den Schlamm abwaschen und die Kleidung wieder anziehen – nass ist sowieso alles, beim Laufen trocknet es zwischen den Regengüssen auch wieder.

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In Salas gibt es ein Menue für 8 Euro, vier Gänge mit Meeresfrüchte-Suppe soviel man will, Steak mit Pommes, dazu ein halbes Baguette, Tomatensalat, ein Stück Torte und für den Durst eine Flasche Wein.
Frage mich ob die bei dem Menue überhaupt noch etwas verdienen..

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Den weiteren Weg Starkregen, der Camino durch den Wald hat sich in einen Bach verwandelt, ein langes Stück dann teils an der Landstraße, teils abseits, zum Schluss dann flacher – im Hintergrund sieht man schneebedeckte Berge.

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In der Herberge treffe ich die Franzosen wieder, die Herbergsverwalterin kocht für alle ein umfangreiches Abendessen. Alles mit Unterkunft dann für eine freiwillige Spende. Kurz nach zehn Uhr abends treffen dann auch die spanischen Pilger ein, die für das letzte Stück ein Taxi genommen haben.

 

Weiter durch die Provinz Asturien durch Tiefschnee und bei Unwetter

[28.11.2012] Von Bodenaya nach Campiello

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Nachts wird es eiskalt und ein Gewitter zieht auf, das dann ganzen Tag anhält, das Starkregen und Schnee mit sich bringt. Der Camino ist durchgehend überflutet. Um die Bäche und Seen, in die er sich verwandelt hat, muss man herumbalancieren. Oder über Stacheldraht klettern und den Umweg über die Felder nehmen.

schneepilger

Vor Beginn hatte ich mir die Wanderung im Winter als Kontrast zum Camino im Sommer vorgestellt, ein absolut anderes Abenteuer, ein wenig begangener Weg, alpine Wanderungen und schwierige Wetterbedingungen als besondere Herausforderung. Vor allem ein Wunsch war wichtig, genug Schnee, um einen Schneepilger zu bauen. Auf Jakob kann man sich verlassen, meine Wünsche wurden alle schon am dritten Wandertag erfüllt.

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Bei Tineo zeigt sich kurz die Sonne für ein paar Minuten, dann holen mich die Gewitterwolken wieder ein und es gießt in Strömen. Ein paar Spanier in den Ort amüsieren sich darüber, dass man bei dem Wetter eine Wanderung unternimmt.

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Dann geht es in eisige Höhen, in denen der Regen in Schnee wechselt, die Wanderung führt durch knietiefen Schneematsch. Etwas Schnee hatte ich mir ja gewünscht, aber nicht Unmengen. Das letzte Stück nach einer Kreuzung laufe ich an der Landstraße entlang – nach unzähligen Malen ausrutschen und anhaltendem Schneeregen ist das deutlich angenehmer, zusätzlich auch eine Abkürzung zum Camino.

 

[29.11.2012] Von Campiello nach Berducedo

Pola

An Rinderfarmen vorbei laufen wir zu dritt, bis der Camino sich in zwei Alternativrouten teilt, eine davon flacher und 4 km länger, die andere dafür wesentlich höher gelegen. Die Hospitaleros in beiden vorherigen Herbergen hatten uns eindringlich gewarnt, an einer Stelle rechts anzubiegen und den alpinen Weg zu nehmen. Wegen der schlechten Wetterverhältnisse entscheiden wir uns hier für die flachere Variante.
In Pola de Allande entschließt sich der eine Franzose wegen schwerwiegenden Knieproblemen, für den Rest der Etappe den Bus zu nehmen.

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Der zweite Franzose läuft voraus, um einiges schneller – ich lasse ich mir mehr Zeit, da ich mit dem Tempo sowieso nicht mithalten kann und es unterwegs einige Kastanien zu sammeln gibt. Hier finde ich die Riesenkastanien, die man sonst nur als Import aus der Türkei kennt. Und die in Unmengen.

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Anfangs ist der Weg ziemlich idyllisch, durch Felsen am einem Fluss entlang. Irgendwann wird der Camino selbst zum Fluss oder es sind breite Sturzbäche zu überqueren. Mir wird die Bezeichnung ‘Primitivo’ klar, hier muss man sich seine Brücken selbst bauen, zumindest im Winter. Oder geschickt darüber balancieren. Was mir nicht ganz gelingt, einmal abgerutscht und beide Schuhe sind mit Wasser gefüllt.
Weiter geht es länger aufwärts, erst etwas Schnee, zunehmend mehr – beim Gehen die Spuren des Französischen Pilgers zu verwenden, ist hier eine Erleichterung. Irgendwann endet der Pfad auf der befahrenen Straße.

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Ein paar Meter weiter zeigt die Markierung dann von der Straße ab, aufwärts auf einen schneebedeckten Pfad. Nicht gerade begehbar, doch dort sind wieder die Fußspuren des Franzosen im Tiefschnee zu erkennen und hier führt auch der Camino entlang – also weiter und dem markierten Pfad folgen. Erst geht es über ein paar Serpentinen steil aufwärts, dann geradeaus bergauf, gelegentlich durch kleine Ansammlungen von Gebüsch und Tannen.

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Hört der Weg durch den Tiefschnee auch irgendwann auf? Es ist nicht zu erkennen, wo der Weg hinführt. Dazu wird es zunehmend neblig.
Die Fußspuren führen weiter in der Richtung der ich folge, aber es führen keine zurück. Das gibt mir zumindest die Sicherheit, dass der Weg keine Sackgasse ist. Eine Rast zu machen ist hier nicht möglich, wenn ich ein paar Sekunden stehen bleibe, fangen die Füße an einzufrieren.

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Nicht viel denken, einfach auf die Fußspuren achten und im stetigem Tempo weiter, Kilometer für Kilometer.
Mit kommt eine Erleuchtung:
Genau dieser Pfad ist es, nicht der andere, vor dem die zwei Hospitaleros gewarnt haben! Von wegen gefährlich – der Weg ist unbegehbar. Irgendwann sehe ich im Nebel über mir etwas metallisches glänzen – eine Leitplanke! Eine Straße, also nicht komplett in der Wildnis verirrt, und es gibt eine Möglichkeit der weissen Hölle zu entkommen. Die Markierung des Camino zeigen nach rechts, die Spuren der Franzosen führen in Richtung Leitplanke.

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Ein Notausgang.
Den Spuren folge ich – was nicht ganz einfach ist, selbst auf allen Vieren ist es schwierig sich auf dem steilen Gelände aufwärts zu bewegen. Endlich, auf einer von Schnee geräumten Straße angekommen!

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Abwärts über die Serpentinen – irgendwann kreuzt der Camino die Straße, führt steil abwärts durch Tiefschnee, davon habe ich genug – folge weiter der Straße. Als sich der Nebel lichtet, hat man eine beeindruckende Aussicht auf das umgebende grüne Gebirge von Asturien mit schneebedeckten Höhen. Äußerst eindrucksvoll. Komme durch Montefurado, von dort sind es nur noch 10 km bis zum Ziel – bzw. eine einfache Wanderung auf der schneefreien Straße. Der Camino verläuft parallel, aber weiter durch Tiefschnee. Kurz nach Einbruch der Nacht komme ich erleichtert in Berducedo an nach ca. 40 km einer etwas anstrengenden Wanderung und treffe die zwei anderen Pilger wieder.

 

[30.11.2012] Von Berducedo nach Grandas de Salime

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Die nächste Etappe führt zuerst ein Stück aufwärts. Dann abwärts an der Straße entlang, später über durchnässte Kuhweiden, bei denen man die Wahl hat entweder durch Schneematsch zu laufen oder durch frischen Kuhdung.

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Wir laufen zu zweit, der andere Franzose ist heute mit seinen Knieproblemen nicht in der Verfassung zu wandern und muss den Bus nehmen. Weiter geht es ein langes Stück über einen Serpentinenweg durch Kastanienwälder bergab. Ich lasse den anderen wieder vorauslaufen, dann habe ich Zeit Kastanien zu sammeln und Fotos aufzunehmen.

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Am tiefsten Punkt des Camino befindet sich dann ein großer Stausee, ich nehme ein paar Fotos von dem Staudamm senkrecht nach unten auf – beeindruckend, aber vor allem ziemlich schwindelerregend.

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Von hier an führt der Weg an der Straße wieder bergauf, ewig lange Serpentinen entlang, bis man sich wieder auf der Höhe befindet.
Ein kurzes Waldstück, dann ist es nicht mehr weit bis zur Herberge. Die ist ziemlich neu und gemütlich eingerichtet – die beiden Franzosen haben Reis mit Gemüse und Fisch gekocht, dazu eine Flasche Wein, und ich kann bei denen mitessen. Sehr erholsamer Abend, später probieren wir noch ein paar Bars in dem Ort aus und genehmen uns dort einige Biere.

 

Die Provinz Galizien

Von Grandas de Salime über die Höhen der Porto de Acebo durch Galizien

[1.12.2012] Von Grandas de Salime nach Padrón

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Die Tagesetappe ist ziemlich genau wie ich mir den Camino Primitivo vorgestellt habe, zum großen Teil durch Wälder, schmale Wanderpfade an Feldern vorbei und Farmen mit Hühnern, Truthähnen und Hasen. Und mit einem idyllischen Bergpanorama auf dem ganzen Weg.

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Das besondere hier sind zudem zahlreiche kleine rustikale Kapellen sowie Wasserquellen, die verschiedenen Heiligen gewidmet sind und mit kleinen Statuen verziert sind. An Pinnwänden findet man viele Zettel mit Gedichten, Sprichwörtern oder Wünschen. Man kann man sich hier lebhaft die Pilger vorstellen, die schon vor etwa tausend Jahren unterwegs waren und die Plätze als Wallfahrtsziele besucht haben.

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Das feuchtkalte Klima scheint hier ideal für Pilze zu sein – am zahlreichsten sind auf dem Weg Fliegenpilze zu finden, aber auch unter anderem viele Maronenröhrlinge oder Steinpilze.

An dem Tag war der eine französische Pilger schon vorausgelaufen. Den zweiten, der wegen Knieproblemen die Etappe ursprünglich auch mit dem Bus fahren wollte, treffe ich in einer kleinen Ortschaft wieder – zusammen wandern wir dann den Rest der Etappe.

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Der Camino führt wieder aufwärts über die Schneegrenze, dort überqueren wir dann die Grenze zur Provinz Galizien.
Nach überqueren des Gipfels bei Sonne kommt ziemlich plötzlich ein Eiswind auf, innerhalb weniger Sekunden fällt die Temperatur um gefühlt 15 Grad niedriger, frierend geht es weiter.

In Padrón fragen wir einen Ordnungshüter nach dem Weg zur Herberge. Weiter und nach dem Ortsende meint er – der Hospitalero sei ein guter Freund von ihm, deswegen kenne er den Weg. Später in der Herberge an der Rezeption sehen wir ihn wieder – er ist auch der verantwortliche Hospitalero dort.
Als wir den zweiten Franzosen treffen, fragt er ob wir den Schneepilger gesehen hatten, den er unterwegs gebaut hat. Den Schneepilger hatten wir leider verpasst, da wir wegen tiefem Schnee auf dem Camino stattdessen einen Teil an der Straße gewandert sind.

 

[2.12.2012] Von Padrón nach O Cádavo/Baleira

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Nachts ist es eiskalt geworden. Alle Pfützen sind morgens gefroren und das Gras von Frost überzogen. Die Kälte ist ideal zum Wandern – über gefrorenen Boden läuft es sich wesentlich besser als bei etwas über 0 Grad auf dem vorher durchweichten Weg.

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Der Camino verläuft wieder durch nette gebirgige Landschaften, teils wieder ziemlich steile Auf- und Abstiege.

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Die Franzosen hatten an dem Tag den Bus genommen, der eine wegen den Knieproblemen, der andere hatte angeschwollene Füße. Treffe in der Herberge beide schlafend an, hatten nachmittags eine große Menge an Bier besorgt und waren irgendwann schläfrig geworden. Und es ist noch einiger Vorrat an Bierdosen übrig, an dem ich mich auch bedienen kann.

 
[3.12.2012] Von O Cádavo/Baleira nach Lugo

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Die beiden anderen legen diese Etappe wieder mit dem Bus zurück, da sie sichergehen wollen, die letzten 100 Kilometer auf jeden Fall laufen zu können. Und bis dahin ihre Füße vorher etwas schonen wollen.

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Irgendwo bei Castroverde muss ich einen Wegweiser übersehen haben, befinde mich nicht mehr auf dem Camino – nach Orientierung mit dem Smartphone-Navi entschließe ich mich weiter durch die Ortschaften zu laufen, bis ich später wieder auf den Camino treffe. Scheint auch ein ideales Pilzgebiet zu sein, auf dem Weg durch die Wälder sieht man unzählige.

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Nach den vielen kleinen Ortschaften wirkt Lugo im Vergleich wie eine Weltstadt. Zu besichtigen gibt es hier einiges an Sehenswürdigkeiten aus alter Zeit, auch römische Themen. Auf der Stadtmauer kann man um die Stadt laufen. Wegen Dauerregen sehe ich mir nur einen kleinen Teil davon an und nutze primär die Gelegenheit für das günstige spanische Essen – im Restaurant, das am nächsten zur Herberge liegt.

Die französischen Pilger wollen noch eine Tour durch die Bars unternehmen, ich bin dafür zu müde und melde mich deswegen auch freiwillig als Türöffner – die Herberge schließt um 22:00, und wem man später kommt, muss jemand von innen öffnen. D.h. dann kurz vor 24  Uhr. Einer Gruppe von 3 jüngeren Spaniern, die ca. 23 Uhr hineinwollten aber ausgeschlossen waren bei miserablem Wetter, konnte ich ebenso die Tür öffnen.
Die Franzosen erzählen später, so gutes Kraut wie sie hier organisiert haben, hatten sie schon lange nicht mehr. Und wäre auch um einiges billiger als in der Umgebung von Chamonix, wo sie herkommen.

 

[4.12.2012] Von Lugo nach San Roman (San Romao de Retorta)

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Morgens Punkt 7  Uhr schaltet sich das Licht automatisch an – scheint hier auch ziemlich strikt zu sein, dass man bis 8:00 die Herberge verlassen haben muss.

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Wir laufen wieder zu dritt – die Berge haben wir hinter uns gelassen. Für mich und vor allem für die anderen beiden eine deutliche Erleichterung, die nach den ständigen Auf- und Anstiegen Probleme hatten.
In einem Baum sehe ich einen Mini-Pilger schweben. Was sich bei genauerer Betrachtung dann als optische Täuschung herausstellt – es ist nur ein Blatt im Feigenbaum, das an einer der Früchte hängengeblieben ist.

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Vorbei an nett gestalteten Gärten kommen wir zum Schluss erst zu einer Bar mit Laden, von dort einen Kilometer weiter zur Unterkunft – eine kleine Hütte mit 6  Stockbetten. Herbergen gibt es sogar zwei, eine öffentliche und eine private. Das ist auch alles an Gebäuden abgesehen von ein paar Bauernhäusern, aus denen der Ort besteht.
Zum Kochen für ein Abendessen finde ich dort in der Küche ein paar Vorräte – unter anderem eine Tütensuppe, Weizenmehl, Öl und Salz. Damit das Essen für alle reicht, versuche ich mit dem Mehl die Suppe zu strecken – das Ergebnis ist überraschend gut, statt 2 Teller werden daraus 6 Teller und verdünnt wirkt die Suppe auch nicht.

 

[5.12.2012] Von San Roman nach Melide

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Die nächste Etappe ist zunächst eine ziemlich flache aber wenig abwechslungsreiche Wanderung. In einem Dorf wird zeitweise der Weg durch eine große Herde Wanderkühe blockiert.
In Spanien gibt es eine Verkehrsregelung: Schafe und Kühe haben grundsätzlich Vorfahrt. Was vermutlich deswegen so geregelt wurde, weil die meisten von ihnen keine Verkehrsschilder lesen können.

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Dann folgt eine schönere Strecke über einen felsigen und mit Heidekraut bewachsenen Hügel, dann an einem Bach entlang durch eine Felsenlandschaft.

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Zum Schluss kommt man nach Melide, der Stadt der Pulperias. Mit einer großen Anzahl an Fischrestaurants die vor allem Oktopus als Spezialität anbieten.
In Melide führen der Camino Primitivo und der von den meisten Pilgern begangene Camino Francés zusammen. Wir treffen hier auch das erste Mal wieder neue Pilger, auch wenn wesentlich weniger jetzt im Winter auf dem Weg unterwegs sind.
Meine Mitpilger haben Zutaten zum Kochen eingekauft – Küche ist vorhanden, aber weder Töpfe, Pfannen noch irgendwelches Geschirr oder Besteck. Packen die Zutaten dann frustriert wieder ein, um sie vielleicht am nächsten Tag zu verwenden.

Eine kanadische Pilgerin fragt uns ob wir französisch sprechen – die beiden Franzosen bejahen das und sie schließt sich uns an. Ich kann mich mit meinen etwas eingerosteten Sprachkenntnissen im kleinen Rahmen an der Unterhaltung beteiligen.

Abends ziehen wir noch durch die Stadt und probieren verschiedene Bars aus. Da die Herberge um 22 Uhr schließt, entriegeln wir ein paar Fenster, durch die wir dann später, kurz nach Mitternacht, wieder hineinkommen.

 

[6.12.2012] Von Melide nach Pedrouzo

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Den nächsten Teil des Weges kenne ich schon von der Wanderung im Sommer, sehe daher wenig neues. Auf diesem von wesentlich mehr Pilgern beschrittenen Weg fällt auf, dass hier wesentlich mehr Cafés, Bars und Restaurants zu finden sind, viele haben derzeit offensichtlich geschlossen. Die Franzosen laufen wieder voraus, ich gehe mit normalen Tempo weiter, auch um Zeit zu haben, Fotos aufzunehmen.

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Nachmittags an einer Bar mache ich eine Rast und genehmige mir ein Bier – schwelge etwas in Nostalgie, da ich hier im Sommer im Biergarten die fünf spanischen Pilgerinnen das erste Mal gesehen habe.

Auf den letzten 2 Kilometern begegne ich noch 3 spanischen Pilgern. Die gehen die kurze 100 km-Variante in einem sehr gemütlichen Tempo und haben einen Schlauch dabei, gefüllt mit Wein, von den sie mir auch anbieten. Wir kommen zusammen bei der Herberge an und melden uns dort gleichzeitig unter Vorlage des Pilgerpasses an. Pedrouzo ist auch wieder ein größerer Ort, in dem ich die Franzosen gleich wiedertreffe und mich mit ihnen dann in eine Bar setze. Die beiden konnten vorher in der Küche der Herberge auch die Zutaten für das Abendessen verwenden.

 

 

Wieder in Santiago

[7.12.2012] Von Pedrouzo nach Santiago

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Von Pedrouzo sind es bis Santiago nur noch etwa 18 Kilometer. Den Weg kenne ich noch vom Sommer – moosüberwachsene Bäume, Eukalyptuswälder. Die Kanadierin ist schon lange vor uns gestartet, 5:30 wollte sie los – nicht wie ich und die Franzosen den Sonnenaufgang um 9:00 abwarten. Jakob, meinen die, wäre der erste Pilger gewesen, der nach Santiago gepilgert ist.. egal – man weiß über ihn ja nicht einmal welche der vielen Legenden überhaupt wahr sind – nur eines ist sicher, das Ziel der Pilger ist eine der großartigsten Städte die es auf der Welt gibt.

 

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 Zuerst laufen wir in Richtung Kathedrale, daran vorbei dann zum großen Platz im Zentrum, wo sich alle Pilger treffen. Der Kanadierin begegnen wir dort gleich und wir machen uns zusammen gleich auf den Weg zum Pilgerbüro, um unsere Urkunden ausstellen zu lassen. Ich lege den Pilgerausweis mit den Stempeln vom Camino vor und bekomme von einer netten Dame dort auch gleich die Compostela ausgestellt. Sie erklärt mir dabei, auf der in Latein geschriebenen Urkunde ist mein Name in lateinischer Form eingetragen. Das Dokument überfliege ich kurz und sehe, dass mein Vorname ‘Michael’ in lateinischer Übersetzung dann ‘Ruben’ lautet – fand ich etwas verwirrend, die kennen sich aber auf jeden Fall um einiges besser aus als ich.

Mit der Compostela, der einen als echten Pilger ausweist, bekommt man im luxuriösesten Hotel am Platz ein kostenloses Pilgeressen – war ein Geheimtipp einer Hospitalera & ist eine Tradition des ehemaligen Klosters, die aufrechterhalten wurde – dort wollen wir abends zusammen hingehen.

Ich bin gerade dabei, meine neu erworbene Urkunde sorgfältig einzupacken, da ruft mich die Dame vom Pilgerbüro zurück – sie meint, mit meinem Pilgerausweis gäbe es vermutlich ein Problem.
Verunsichert überlege ich – weil ich einen Stempel zu wenig habe? Für die letzten 100 km sind täglich zwei verschiedene erforderlich. Oder weil bei 2-3 Stempeln ein wichtiges Detail, das Datum, nicht eingetragen ist?
Sie fordert nochmal, den Pilgerausweis zu sehen. Bei der Kontrolle meint sie, der Name stimmt nicht mit dem überein, den ich in der Liste eingetragen habe. Außerdem sei das den Stempeln nach auch nicht der Camino Primitivo.

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 Da kommt mir – wieder mal – eine Erleuchtung: Der Pilgerausweis – den ich vorgelegt habe – gehört einem der Spanier, denen ich Tags zuvor begegnet bin. In der vorherigen Herberge müssen wir diese bei der Anmeldung versehentlich vertauscht haben.

Dann wird der Pilgerausweis und die ausgestellte Compostela konfisziert. Falls der spanische Pilger mit meinem Ausweis auftaucht, wird mir im Büro gesagt, wissen alle Bescheid. Und, wenn ich später nochmal vorbeikomme, kann ich eventuell meinen eigenen Pilgerpass wiederbekommen.

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Die zwei Franzosen, die Kanadierin und ich gehen danach als erstes in eine Mexikaner-Bar zum Feiern, dort kostet jedes Bier 1 Euro. Später schaue ich nochmal beim Pilgerbüro vorbei und ich habe Glück, der Spanier war in der Zwischenzeit dort. Meinen richtigen Pilgerausweis bekomme ich wieder und dazu auch die Compostela ausgestellt, die ich für das Gratis-Pilgeressen brauche, und gehe mit den anderen zusammen zu dem Hotel, das die Hospitalera auf dem Camino uns genannt hatte.

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An den späten Abend kann ich mich soweit erinnern, das wir zuerst in einer Bar bei einigen Bieren gefeiert haben, dort 4 nette Spanierinnen kennengelernt haben, mit denen dann in die nächste Bar weitergezogen sind, danach dann noch in 3 verschiedenen Musikclubs waren. In denen jedes Bier zwischen 1,50  und 2 Euro kostet. Und dass die eine Spanierin gar keine war, sondern in Santiago studiert und ursprünglich aus Heidelberg kommt. Das war das einzige Mal auf dieser Tour, dass ich jemand aus Deutschland getroffen habe.

 

[8.12.2012] Santiago der 2.te Tag

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Morgens um 10 Uhr weckt uns der Herbergsverwalter freundlich, wir müssten das Zimmer verlassen und unsere Sachen etwas beiseite räumen, da der Putzdienst in das Zimmer müsste.
Ich habe einen ziemlichen Brummschädel – hatte in den Bars insgesamt etwa 20 Euro ausgegeben, das kann man bei den Preisen leicht in die Mindestanzahl Biere umrechnen.
Die Kanadierin erzählt, sie und der eine Franzose waren schon früher um ca. 3 Uhr zurückgegangen und hatten dann noch die Idee gehabt, mit der Slackline im Park in der Nähe balancieren zu gehen. Die Slackline hatte der eine Franzose auf den Camino mitgenommen, die letzten 14 Tage wegen Dauerregen aber nie verwendet.
Mit dem anderen französischen Pilger wäre ich erst um 5 Uhr aufgetaucht, als sie schon wieder zurück in der Herberge waren.

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Die Franzosen reisen mittags ab, die Kanadierin und ich holen nachmittags ca. 5 Stunden lang den fehlenden Schlaf nach. Abend beeilen wir uns, um noch rechtzeitig um 19 Uhr zum Gratis-Pilgeressen zu kommen. Dort sehe ich die 3 spanischen Pilger wieder, die ich am Anfang des Camino, kurz hinter Oviedo kennengelernt habe. Die Kanadierin trifft hier 2 andere Pilger aus Kanada, die sie vom Camino Francés kennt. Mit denen gehen wir danach noch in ein Café.

 

[8.12.2012] Rückflug – Adios Santiago

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 Verabschiede mich morgens von der Kanadierin, die weiter nach Finisterre wandert. Ich fahre zum Flughafen. Als das Flugzeug startet, noch intensiver kurz vor der Landung im dichten Nebel – bei der man die Landebahn erst wenige Meter über dem Boden sehen kann – bekomme ich wieder ein Gefühl der Unsicherheit, das ich auch beim letzten Rückflug vom Camino hatte und davor nie kannte. Was vermutlich daran liegt, dass man lange Zeit mit der Erde verbunden ist und nun nicht mehr die Kontrolle über die Fortbewegung hat, sondern auf die Sicherheit moderner Technik vertrauen muss.

Flugangst..


 

Inzwischen habe ich zur Winterwanderung ein Buch verfasst – mit mehr Details, Anekdoten und um einiges ausführlicher. Als E-Book und als Taschenbuch:

buchcover_primitivo_klein

http://www.amazon.de/dp/151178170X


Den Etappenbericht habe ich unterwegs mit dem Smartphone erstellt und unter meiner Internetseite pilgern-online.de hochgeladen. Und auch Berichte von weiteren Touren.

(Bei den Fotos hatte ich nur Bilder ausgewählt, bei denen keine Personen außer mir erkennbar sind, da ich nicht weiß, ob diese mit der Veröffentlichung im Internet einverstanden wären)

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